Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 16. Aug 2020 · Musik

Eine musikalische Seelenwanderung nach innen – der Bassbariton Florian Boesch und die Musicbanda „Franui“ hinterließen einen großen Eindruck

Mit ihrem Programm „Alles wieder gut“ eröffneten die Musicbanda Franui und der Bassbariton Florian Boesch die „Festtage im Festspielhaus“. Der Zyklus, bestehend aus Liedbearbeitungen von Mahler, Schubert, Schumann und Brahms, spannte einen eindrücklichen dramaturgischen Bogen über das Naturerleben, die Liebe in all ihren Facetten und versinnbildlichte die Vergänglichkeit. Vielschichtig und aussagekräftig füllte Florian Boesch die musikalisch stimmigen Arrangements von Andreas Schett und Markus Kraler mit Leben. Verstärkt wurden diese Erfahrungen durch das Video von Jonas Dahlberg, in dem das Interieur eines Schlafzimmers allmählich von der Bildfläche verschwand.

Die ausgewählten, durchwegs bekannten, romantischen Lieder von Gustav Mahler, Franz Schubert, Robert Schumann und Johannes Brahms fügten Andreas Schett und Markus Kraler in Anlehnung an Liederzyklen wie „Die schöne Müllerin“ beziehungsweise „Lieder eines fahrenden Gesellen“ zu einem neuen Ganzen zusammen.
Mit musikalischen Analogien wurden die Zuhörenden in naturhafte Lebenswelten und das seelische Empfinden des Protagonisten geführt. Für diese Rolle war der Bassbariton Florian Boesch wie geschaffen. Mit großer Bühnenpräsenz verkörperte er die unterschiedlichen Charaktere, nahm sich auf der einen Seite total zurück, wie beispielsweise in Schumanns „Es fiel ein Reif“, und drückte andererseits die Verzweiflung insbesondere in Mahlers „Wenn mein Schatz Hochzeit macht“ mitreißend aus. Bewundernswert führte Florian Boesch seine flexible Stimme, vom schmetternden Bass in „Ich hab ein glühend‘ Messer“ von Gustav Mahler bis hin zum feinsinnig abgehobenen Falsett in Schuberts „Du bist die Ruh“ und dem rezitierend dargebotenen „Abendstern“, der mit fein hingetupften Tonrepetitionen den musikalischen Blick nach oben richtete.

Musikalische Idiome und inhaltliche Stilmerkmale herauskristallisiert

Aussagekräftig legten Andreas Schett und Markus Kraler die musikalischen Bearbeitungen an. Es war in allen Liedern offensichtlich, dass es ihnen nicht um illustrative Aneignungen ging, sondern die Idiome und musikalischen Quintessenzen jedes einzelnen Liedes herauskristallisiert werden sollten. Farbenreich führten sie Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ in das Klanggewand ihrer Musicbanda. Besonders in diesen Liedern bildete die Instrumentation die musikalische Aussagegehalte mitreißend ab. Die Naturszenen erklangen plastisch und darüber hinaus ermöglichten vor allem die Einsätze von Violine, Hackbrett, Harfe und Zither auch feinsinnige textdeutende Nuancierungen. So waren die Gefühlszustände in jedem Lied differenziert nachvollziehbar. Besonders in Erinnerung blieb dabei der Übergang zum Lied „Ging heut morgen übers Feld“ von Gustav Mahler, in dem der musikalische Fluss vom Dunkel ins Licht mündete sowie die Harmonik und die volksmusikalischen Stilelemente gut zur Geltung kamen. Eine besondere Rolle spielten die gedämpften Trompeten, die in einigen Passagen als zusätzliche Singstimme geführt wurden.
Die Anklänge an die Volksmusik, die viele romantische Lieder beinhalten, ließen in „Alles wieder gut“ besonders aufhorchen, denn diese führte Franui in ihre eigene Klangsprache über. Besonders reagierte das Publikum auf jene Passagen, wenn Franui die musikalischen Grundgedanken mit viel Drive in eine Balkan-Klezmer-Banda transferierte, wie in „Schuberts „Trock’ne Blume“, oder jazzphrasierte wie in Mahlers „Die zwei blauen Augen“. Viel mehr beeindruckte aber in diesem Abschnitt, in welcher Art die Musikerinnen und Musiker die rhythmische Formel eines Trauermarsches ihrer individuellen musikalischen Interpretation zugrunde legte.

Vergänglichkeit ins Bild gesetzt

Der Liederzyklus „Alles wieder gut“ wirkte auch deshalb noch lange nach, weil die Vergänglichkeit nicht nur musikalisch eindrücklich ausgedeutet erklang, sondern darüber hinaus mit einer Projektion eines Wachsmodells von Jonas Dahlberg visuell unterstrichen wurde. Das Video zeigte ein Interieur eines Schlafzimmers. Beginnend mit der Stuhllehne über die Lampe bis hin zum Bett verflüchtigte sich die Einrichtung allmählich. Dieser Prozess war in der aktiven Beobachtung explizit nachzuvollziehen. Immer dann aber, wenn die Aufmerksamkeit vom Video abgelenkt wurde, trat der in der Zwischenzeit dahingeflossene Verfallsprozesse besonders deutlich zu Tage. So gesehen regte auch der Titel „Alles wieder gut“ zum Nachdenken an. Müsste es heißen „Alles wieder gut?“ oder „Alles gut“ oder steht dahinter doch der ausformulierte Wunsch „Alles wieder gut“?