Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Walter Gasperi · 16. Aug 2020 · Film

35. Alpinale: Mächtige Einhörner für kurze Filme

Mit der Vergabe der Einhörner endete das Bludenzer Kurzfilmfestival Alpinale. Vielfältig war das Angebot und würdige Filme wurden ausgezeichnet.

Das Publikum vergab sein Einhorn für den besten Film des internationalen Wettbewerbs an die französische Produktion „Whales don´t Swim“. Im Mittelpunkt steht der übergewichtige Yves, der in der Schule als Wal beschimpft wird. Um Anschluss zu finden, beginnt er heimlich nachts im Schwimmbad Synchronschwimmen zu trainieren, wird dabei aber von einer Mitschülerin, die ebenfalls trainieren will, entdeckt. Damit ihr geheimes Training nicht auffliegt, müssen sie zusammenspannen.
Neues Terrain beschreitet Matthieu Ruyssen mit dem Thema Synchronschwimmen nicht, gab es in den letzten Jahren in den Kinos mit "Swimming With Men", "Ein Becken voller Männer" und "Männer im Wasser" doch mehrere Filme über Männer, die sich für diese Sportart begeistern. Überzeugend und unterhaltsam gelingt es dem Franzosen aber in 20 Minuten vor dem Hintergrund dieses Sports, der selbstverständlich auch eine Metapher für Zusammenarbeit und Harmonie ist, von jugendlicher Ausgrenzung, Rivalitäten unter Mädchen und Überwindung der Isolation zu erzählen.

Visuell großartiger Animationsfilm

Von der internationalen Jury, zu der auch die Vorarlberger Schauspielerin Maria Fliri zählte, zeichnete als besten Kurzspielfilm das hier schon besprochene starke österreichische Drama „Das Urteil im Fall K.“ aus. Das Einhorn für den besten Animationsfilm vergab die Jury dagegen an den französischen Film „Tadpole – Kaulquappe“. In wie mit Wasserfarben gemalten Bildern erzählt Jean-Claude Rozec darin von einem Mädchen, das seinen Bruder immer wieder mobbt und zu spät erkennt, dass sie ihn im Grunde liebt.
Mit starken Farbeffekten und teils verschwommenen Bildern, dem düsteren Setting einer halbverfallenen Stadt und einem nächtlichen Sumpf erzeugt Rozec eine dichte und beunruhigende Atmosphäre und lässt Realität und Märchenhaftes zunehmend verschwimmen. Eindrücklich macht dieser visuell großartige Kurzfilm so auch bewusst, dass der Animationsfilm weit mehr Möglichkeiten bietet als Computer-Animation und Stop-Motion-Technik.

Minimalistisches Erzählen

Mehrere Realfilme demonstrierten dagegen beeindruckend, wie ein Kurzfilm zu verdichtetem Erzählen zwingt. Klassisches Genrekino stand hier neben erschütternder quasidokumentarischer Nachzeichnung des Sterbens von 71 Migranten im Lastwagen ungarischer Schlepper im August 2015. „Cargo – Der Transport“ nennt Christina Tournatzés ihren Kurzspielfilm, in dem sie sich ganz auf die Fahrt des Schleppers konzentriert, der auf seiner Fahrt von Ungarn nach Österreich weder auf Klopfen noch Schreie der langsam erstickenden Menschen im Laderaum reagiert. – Auf jedes Umfeld und Hintergrundinformationen verzichtet Tournatzé, aber gerade durch diese Reduktion packt und erschüttert "Cargo" nicht nur, sondern bleibt auch haften.
Klassisches Genrekino bot dagegen Christopher Yates mit „Detours“. In der Nachfolge von Steven Spielbergs legendärem Debüt "Duel" erzählt der Belgier von einem Vater, der sein Baby zur getrennt lebenden Mutter bringen soll, im Stress aber den Seitenspiegel eines geparkten Wagens beschädigt und bald von dessen Besitzer verfolgt wird. Enormen Druck und schweißtreibende Spannung entwickelt Yates dabei, indem er in Echtzeit erzählt und den Zuschauer mit Baby und Fahrer förmlich ins Wageninnere einsperrt.
Minimalistisch angelegt ist auch „9 Steps“ der Spanier Marisa Crespo und Moisés Romera, der in der Kategorie Bester Horrorfilm ausgezeichnet wurde. Die Handlung beschränkt sich darauf, dass ein Vater seinen Sohn dazu bewegen will, durch einen dunklen Gang zu gehen, der Sohn sich aber fürchtet. Perfekt spielt das Regie-Duo mit der Angst vor der Dunkelheit und baut große Spannung auf.

"Der kleine Tod" - Lichtblick bei den v-shorts

Wenig überzeugende Produktionen gab es in der Kategorie v-short (Bericht finden Sie hier), aber die Vergabe des mit 500 Euro dotierten Preises durch das Publikum an Christoph Rohners „Der kleine Tod“ geht in Ordnung. Ohne viel Dialog erzählt Rohner weitgehend allein durch prägnante Bildsprache von einem jungen Anarchisten, der 1898 in Genf mehr zufällig als geplant die österreichische Kaiserin Elisabeth ermordet. Stimmungsvoll erzählt Rohner mit guten Schauspielern von einer Seelenverwandtschaft zwischen der todessehnsüchtigen Kaiserin, die die alte Ordnung hasst, und dem Anarchisten. Gleichzeitig kann die Thematik der großen Klassengegensätze und dem Aufstand der Rechtlosen und Ausgebeuteten auch durchaus auf die Gegenwart übertragen werden.