Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 08. Okt 2012 · Musik

Eine Künstlerpersönlichkeit auf dem steilen Weg nach oben – höchste Bewunderung für Aaron Pilsan bei seinem Schubertiadedebüt

Der Dornbirner Pianist Aaron Pilsan hat in diesem Jahr seine Karriere als Konzertpianist mit Riesenschritten gestartet. Nach einem herausragenden Klavierrecital in Dornbirn, Auftritten bei den Bregenzer Festspielen und beim renommierten Schleswig-Holstein Musik Festival in diesem Sommer, debütierte er nun im Rahmen der Reihe „Referenzen“ bei der Schubertiade Hohenems. Das Publikum im Markus-Sittikus-Saal hörte zu und staunte voller Bewunderung über die Reife der Werkdeutungen des erst 17-jährigen Musikers.

Schwungvoll und voller Tatendrang betrat Aaron Pilsan die Bühne, setzte sich ans Klavier, rückte konzentriert den Stuhl in die richtige Positionen, atmete ein und begann seinen Soloabend mit der Schubertsonate in E-Dur (D 459). In diesem heterogenen Werk spiegelten sich die interpretatorischen Eckpfeiler, die Aaron Pilsan aus Schuberts Musiksprache heraus kristallisierte. Die Art wie er harmoniefremde Töne und Leittöne innerhalb des melodisch-harmonischen Gesamtgefüges betonte, dynamische Nah- und Fernverhältnisse auslotete, Tonrepetitionen als Zeitachsen anlegte und damit einen vielschichtigen Klanggrund schuf, sind nur wenige Aufzählungen der überaus beeindruckenden Spielart von Aaron Pilsan. Dabei wirkte sein Spiel nie technisch, sondern er trat in einen Dialog auch mit vordergründig unscheinbaren melodischen Floskeln, gab ihnen Profil und Gewicht und entwickelte damit eine Spieltiefe, die selten so zu erleben ist.

Individuelle Fantasie

Begeistert folgten die Zuhörenden dem liedhaften Erzählfluss, den Aaron Pilsan den sechs "Moments musicaux" (D 780) zugrunde legte. Er modellierte fantasie- und farbenreich die fein ziselierten Miniaturen. Seine konzentrierte musikalische Zwiesprache, seine Zurückhaltung, wo einfache musikalische Gestalten danach verlangten, und humorvolle Zeichensetzungen machten sein Spiel zu einem Ereignis. Mit viel Temperament stellte Aaron Pilsan sodann die Deutschen Tänze (D 783) in den Raum. Diese zeichneten sich durch energiegeladene Phrasierungen, wirkungsvolle Tempoverzögerungen und ein kraftvolles Bassfundament aus.

Körperhaft und sinnlich

Der letzte Programmpunkt des Konzertes stellte Schuberts berühmte Fantasie in C-Dur (D 760), die sogenannte Wandererfantasie, dar. Dieses Werk fordert jeden Pianisten in besonderem Maße, denn Schubert hat darin die „große“ Form verarbeitet. Die Komposition ist überaus vielschichtig angelegt, symphonisch in den Ausmaßen und orchestral gedacht in der instrumentalen Ausgestaltung. Mit seiner differenzierten Anschlagkultur formte Aaron Pilsan groß angelegte Kraftfelder und zurückhaltende lyrische Passagen aus. Er modellierte den schreitenden Rhythmus plastisch und verlieh seiner Werkdeutung in den Schlüsselstellen die Atmosphäre der von Schubert zugrunde gelegten Textzeile „die Sonne dünkt mich hier so kalt, die Blüte welk, das Leben alt, und was sie reden leerer Schall, ich bin ein Fremdling überall.“

Welche Überlegungen dazu geführt haben, das komplexe Werk an den Schluss zu platzieren, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls forderte allein die Werkfolge einen enormen physischen und mentalen Kraftaufwand ein. Umso mehr Bewunderung gebührt dem Pianisten, der in sein gelungenes Schubertiadedebüt viel investierte, damit viel gewann und auch Grenzen auslotete.