Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Bader · 27. Mai 2012 · Musik

radio.string.quartet.vienna - ein Streichquartett der Superlative

Tosenden Applaus gab es am Samstagabend im Spielboden anlässlich des letzten Konzerts der Jazz&-Reihe vor der Sommerpause für das radio.string.quartet.vienna.

Man soll mit Superlativen vorsichtig sein. Aber was am Samstagabend im Dornbirner Spielboden zu erleben war, kann nur mit der höchsten Steigerungsstufe bedacht werden: sensationell. Bernie Mallinger (Violine, Stimme), Igmar Jenner (Violine), Cynthia Liao (Viola, Erhu) und Asja Valcic (Cello) sind vier leidenschaftliche MusikerInnen, die auf ihren Instrumenten virtuos und hingebungsvoll zu musizieren verstehen. In zwei kurzweiligen Sets stellten sie aber nicht nur ihr überragendes Können als Instrumentalisten unter Beweis, sondern auch als Komponisten und Arrangeure, denn Mallinger und Valcic haben dem Quartett den Großteil der komplexen Stücke auf den Leib geschneidert. Virtuosität, perfekte Interaktion und Perfektion bei den Übergängen von komponierten zu improvisierten Parts, dies alles auswendig: Nicht ohne Grund darf die Formation als eines der renommiertesten und besten Streichquartette in der Jazz-Szene gelten.

Aktuelles Konzeptalbum "radiodream" - sinnige Anspielung auf Sigmund Freud

Im ersten, ca. 50-minütigen Set stellte das Quartett sein aktuelles Konzeptalbum „radiodream“ vor. Hohe, flimmernde Flageoletts erzeugten zu Beginn eine sphärische Atmosphäre, aus der sich sehnsüchtige Melodien herausschälten. Mallinger gab auf einer Schlagzeug-Fußmaschine bald den Viertelpuls vor, setzte seine Violine mit verzerrtem Klang wie eine E-Gitarre ein, und das Quartett rockte los. Aber auf die emotionalen Ausbrüche folgte bald die Zurücknahme. Spannend war der Einsatz der dynamischen Mittel. Spannend der Einsatz der Technik. - Stichwort: Effektboards und Verstärkung der Streichinstrumente durch Pickups. So ist der Techniker am Mischpult ein wichtiger Teil des Quartetts. Ohne ihn wäre dieses Konzept nicht möglich. Spannend war auch das Spiel mit Zitaten, so erklang auf einmal Liszts „Liebestraum“, sehr sinnig für ein Programm, das sich dem Thema Traum widmet. Sehr sinnig war auch der Titel „Song - Ode an den Freud“, eine Anspielung auf Sigmund Freuds frühes Hauptwerk „Die Traumdeutung“.

Ostinato-Patterns rockten und bildeten oft das Fundament für die virtuosen Soli der vier Akteure. Zusätzliche Farbe brachte Mallinger durch den Einsatz seiner Stimme ein.

Hommage an Joe Zawinul- ausgezeichnete Arrangements

Das zweite, ebenfalls 50-minütige Set war dem Schaffen Joe Zawinuls gewidmet. Der wohl einflussreichste europäische Jazzmusiker hätte 2012 seinen 80. Geburtstag gefeiert. Anlässlich des ersten Joe Jawinul Music Day in Wien haben Malllinger und Valcic Material für das Streichquartett arrangiert, das ursprünglich für Zawinuls Fusion-Band Weather Report komponiert worden war. So war Wayne Shorters „Freezing Fire“ der Opener des zweiten Teils des Abends. Fetzig. Expressiv. Sehr schön war der Einfall, wie das Thema des Weather Report-Klassikers „Black Market“ vom Cello zur Violine und dann zur Bratsche wanderte. Mit einem ausgezeichneten Arrangement des Weather Report-Hits „Birdland“ beschloss das Qartett das zweite Set, wurde aber vom begeisterten Publikum für zwei Zugaben zurück auf die Bühne geholt: Aus dem Mahavishnu Orchestra-Programm von 2007 wurde „Vital transformation“ gegeben. Mit „Peace“ aus Zawinuls erstem Solo-Album „Dialects“ (1987) verabschiedeten sich die vier sympathischen MusikerInnen endgültig vom restlos begeisterten Publikum.