Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Ionian · 21. Aug 2012 · Musik

Ein straightes und ehrliches Rockkonzert wie damals - die wiedervereinten Bush im Event.Center Hohenems

Für die meisten Besucher war das Konzert von Bush ein Ausflug in ihre Jugendzeit. Der gestrige Abend war ein Rockkonzert wie zur Jahrtausendwende. Eine ehrliche Sache ohne viel Drumherum und Hickhack, einfach schnurgerader, knüppelharter Rock wie damals. Das Event.Center war ganz gut besucht, aber auch nicht überfüllt. Und Gavin Rossdale hat bewiesen, dass er es immer noch drauf hat und war alles andere als publikumsscheu.

Es war ein brütend heißer Tag in Vorarlberg. Und als Montagabend auch Wochenbeginn für viele, die auf ihren diesjährigen Urlaub bereits zurückschauen mussten. Dennoch waren laut Veranstalter 800 Leute nach Hohenems gekommen, um mit Bush in ihre Jugend zurückversetzt zu werden. Dementsprechend war das Publikum größtenteils aus derselben Generation. Das waren alles Fans guter Rockmusik, von denen die meisten jedoch schon einen Babysitter organisieren mussten, um an diesem Abend frei zu haben. Den Opener machte das Quartett Las Vegas Drive-Through Wedding Chapel. Die Leute waren wahrscheinlich noch zu nüchtern um richtig abzugehen, aber die Band gab alles. Sie lieferten kultigen, ungekünstelten Garagen-Rock'n'Roll. Dabei spielte die Orgel eine nicht unwesentliche Rolle, auf der Pia Sutr in die Tasten hämmerte. Aber auch Klaus Hämmerle als Frontmann konnte mit Retro-Riffs und starkem Gesang überzeugen. Auf dem virtuosen Fundament vom umtriebigen Marcello Girardelli am Bass lässt es sich auch gut austoben. Und neben den tiefen Tönen machte der auch eine ziemlich bewegte Figur auf der Bühne. Das Set war recht kurz, drum kamen sie als Support noch zu einer kurzen Zugabe. Die Aufgabe, das Publikum warm zu spielen, haben sie gut gemeistert.

Der Gewittersturm

In der Pause hat es alle vor die Türe gezogen, wegen der frischen Luft und des Rauchs, auch wenn das im ersten Moment widersprüchlich klingt. Man kauerte sich unter dem Vordach zusammen, weil inzwischen ein gewaltiges Gewitter über das Unterland hinweg fegte. Die Hauptband ließ ein wenig auf sich warten, was die Spannung nur steigerte. Und als sie dann wirklich loslegten, überdonnerten sie das Unwetter von draußen. Auch Stroboskop-Blitze gab es zur Genüge, denn sie hatten ihre eigene kleine Lichtshow dabei. Das wars aber auch, mehr Show war nicht nötig. Einen großen Banner gab es noch hinten auf der Bühne, auf dem in vier großen Lettern nochmals an den Bandnamen erinnert wurde. Und sonst nur programmierte Lichtstimmungen, was aber schon viel ausmachte fürs Feeling. Der Rest war überraschend unverschnörkelt. So kennt man Rockkonzerte von früher. Heute wird man ja schon fast immer mit Stimulation überflutet. Doch Bush ist da wohl ganz bewusst eine andere Schiene gefahren, nämlich schlicht geraden, ehrlichen Rock in your Face bzw. in die Ohren.

Das Comeback

Als Bush in der Mitte des letzten Jahrzehnts vor dem Millennium ihre ersten Veröffentlichungen feierten, wurden sie durchaus kritisch betrachtet. Zu ähnlich war ihr Grunge den Genre-Pionieren Nirvana. Und während ebendiese ein Phänomen waren, wirkte Bush eher wie eine Second Hand Band, die gebrauchte Strickmuster neu verkaufen wollte. Trotzdem kam man um einzelne herausragende Songs nicht umhin. Und spätestens zum Jahrtausendwechsel hatten sie sich als eigenständige Sache in den CD-Regalen aufgestellt. Als dann 2005 die Auflösung kam, wurde dieses Kapitel beendet und es nahmen wohl alle an, dass es hiermit auch gelaufen sei. Doch nach einzelnen Gerüchten gab es vor zwei Jahren eine Reunion und dann 2011 ein neues Album. Jetzt sind sie wieder da und spielen Headlinershows durch ganz Europa.

Der Frontman

Damals waren sicherlich nicht wenige rockige Girls verliebt in Gavin Rossdale. Und deren Flamme wurde bestimmt neu erweckt, wenn sie ihn jetzt wieder gesehen haben. Beide Seiten sind gereift, die Fans, aber auch die Musiker. Beim ersten Song hatte er noch eine schicke rote Uniformweste an, aber schon beim zweiten Song stand er im ärmellosen Fetzenunterhemd auf der Bühne. Da kamen die muskulösen Oberarme gut zur Geltung. Nebst diesem Blickfang bewies nicht nur seine durchtrainierte Statur, dass er gut drauf war. Auch stimmlich strotzte er vor Kraft. Regelmäßig wurden die hohen und lauten Töne, die er aus der Kehle presste, ausgedehnt in die Länge gezogen. In diesen Momenten kollabierte die ansonsten sehr klare, rockige Songstruktur und es eröffneten sich ganz kurz Räume der sphärischen Verwirrung. Doch nur Augenblicke später kam wieder die ganze Band dazu und sie waren so tight wie kurz zuvor. Einmal hämmerte er den geraden Takt mit einem Drumstick auf der Snare des Schlagzeugers mit, aber es war ganz okay, dass dieser dann wieder nahtlos übernahm. Stimmgewaltig ist er jedenfalls immer noch, durchtrainiert wie erwähnt auch und sympathisch. Er gab sich freundlich, bedankte sich und redete mit den Leuten. Er versprach eine Rückkehr im kommenden Jahr und dass dann auch eine neue CD erscheinen würde.

Die Setlist

Mit Songs wie "Chemicals" und "Swallowed" wurden regelrechte Singchöre ausgelöst. Die Fans freuten sich darüber, ganze Songtexte noch immer auswendig zu können und scheuten sich nicht, das auch lautstark zu beweisen. Das passierte bei der aktuellen Single "The Sound Of Winter" zwar nicht, aber der Sound ist  immer noch souveräner, alternativer Rock. Zwischendurch flaute die Stimmung manchmal ein klein wenig ab. Als Rossdale dann jedoch von der Bühne sprang, auf die Bar an der Seite der Halle hüpfte und sich dann mitten ins Publikum vor der Stage warf, um dort fast einen ganzen Song gemeinsam mit den Leuten zu singen, waren alle aus dem Häuschen. Den großen Star im wörtlichen Sinne so hautnah zu erleben, war für viele ein regelrechter Rausch. Für alle anderen zumindest Grund genug, diese Szene per Smartphone für die Nachwelt festzuhalten. Jetzt spätestens flogen ihm die Herzen zu und zwar nicht nur die der Ladies. Nach zwölf Nummern war das Programm zu Ende, aber natürlich gab man sich noch eine Zugabe. Vier Songs obendrauf war nicht knausrig. Wobei man durchaus noch einen Hit wie "Let The Cables Sleep" reinbauen hätte können, statt mit einem Cover von "Come Together" den unumgänglichen Mitsing-Knopf zu penetrieren. Dafür gab es dann ganz am Ende noch "Glycerine", weil man nun eh schon eingesungen war und als allerletzten Song "Comedown" der eher nochmal Gas machte, als dass er runter brachte.

Das Konzert hinterließ durchaus auch ein wenig Verwirrung. Wir sind es inzwischen gewohnt, mit Reizen überfüttert zu werden. Wenn dann eine Band wie Bush kommt und einfach mal ein ehrliches, gutes Rockkonzert liefert, ist man wieder mit dem puren Sound konfrontiert. Da wurde man nicht von tausend anderen Sachen abgelenkt. Und das war auch gut so.