Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Gunnar Landsgesell · 16. Aug 2012 · Film

Magic Mike

Wer männliche Stripper hört, sollte bei "Magic Mike" nicht gleich die Ohren zuklappen. Steven Soderbergh hat in seine schillernde Filmhülle über die Szene der Nackttänzer einen zweiten, anderen Film geschmuggelt.

Steven Soderbergh, das mag angesichts des Themas am meisten erstaunen, erzählt wie aus dem Leben gegriffen. Dabei ist der Stoff mittlerweile ein beliebter filmischer Topos geworden. Der Inhalt klingt simpel – und ist es auch: Männliche Stripper-Crew versetzt im wenig coolen Tampa, Florida, Studentinnen und Hausfrauen in einem Club in Ekstase. Soderbergh zeigt das in nicht zu knappen Szenen genau so: mit blanken Hintern und vulgären Gesten. Zwei der Typen stehen im Mittelpunkt: der eine, Adam (Alex Pettyfer) ist jung und unerfahren, ein richtiger Frischling: er will in diesem Gewerbe richtig was erleben. Der andere, Mike (Channing Tatum), bereits um die 30, protegiert und beschützt den Jungen. Mike sieht in den „Kings of Tampa“ nur noch eine Einnahmequelle – für ein Leben nach eigenen Ideen. Wer nun schon beim Wort „Stripper“ wegen akuten Desinteresses abblockt, sollte es sich noch einmal überlegen.

Es dräut der Zweifel

„Magic Mike“ ist eine geschickte Hybridkonstruktion aus Indie- und Mainstream-Produktion. Mit schillernden Strand- und Stripszenen lässt sich „Magic Mike“ ideal für den breitenwirksamen Einsatz aufbereiten. Das, was sich hier aber langsam enthüllt, ist eine Erzählung mit doppeltem Boden. Hinter harmlosen Szenen dräut etwas Unheilvolles, oder auch nur ein Zweifel, ein Kummer. Dass diese Stimmungen nicht in Worte gefasst werden, verhindert nicht, dass sich beim Zuseher eine Wahrnehmung in diese Richtung einstellt. Sie begleitet ihn den restlichen Film, scheinbar ohne Zutun des Films. Vielleicht hat das mit der US-Wirtschaftskrise zu tun, die die „Kings of Tampa“ als kleines Erfolgsprojekt hervorhebt und zugleich prekär wirken lässt. Vielleicht auch mit der Unruhe, die hinter der Bedächtigkeit Mikes und seinem schrillen Umfeld wuchert. Er sieht zu, wie Adam sich lustvoll in ein Leben schiebt, für das er selbst den Ausgang sucht. So bastelt Soderbergh an der Fragilität seiner Szenarien: Im glanzvollen Gebäude seiner Stripper-Jungs stagnieren letztlich auf einem Gefühl des Moments aufgebaute Lebensentwürfe. Das Abziehen von Dollarscheinen aus dem Tanger und der prolongierte Bühnenrausch sind Sinnbilder davon. Während das Leben mit seinen kleinen Freuden dahinplätschert – zwischen Magic Mike und Adams grundsolider Schwester werden Spannungen spürbar – beobachtet Soderbergh (er steht auch hinter der Kamera) das Geschehen mit einer gewissen Distanz. Der Film spricht für sich, auch deshalb fühlt er sich so „realistisch“ an. Dazu gehört auch, dass Dialoge zeitweise hingerotzt oder gar nicht ausformuliert werden. Aber wer spricht schon ständig in ganzen Sätzen? Szenen verweigern die Pointen. Als Mike einmal bei einem Date mit Adam und zwei jungen Frauen plötzlich von einer Holzbrücke bekleidet ins Wasser springt, wartet man vergeblich auf die Bilder, die ein ganz bestimmtes Lebensgefühls ausdrücken. Oder auch nur auf den Gag dieser Aktion. Stattdessen steigen Mike und Adam einfach wieder aus dem Wasser. So bleibt am Ende das Gefühl, einen „unfertigen“ Film gesehen zu haben, so wie schon im Fall von „Contagious“ und Soderberghs Arbeiten seither. Dazu gesellt sich aber auch eine Faszination, wie porös der Mann seine Erzählungen gestaltet. Nicht nur, was die gewollte Unentschiedenheit zwischen Konsumkritik und freundlicher Unterhaltung betrifft, sondern auch, wie er die Kunst des US-Kinos beherrscht, keine Stelle dieses Films dramaturgisch leer zu lassen, und dennoch seinem Publikum nicht mit falschem Trost zu entlassen.