Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 23. Aug 2012 · Film

Aktuell in den Filmclubs (24.8. - 30.8. 2012)

In der schwarzhumorigen Komödie "Mammuth", die diese Woche in der Kantine des Spielbodens zu sehen ist, macht sich ein langmähniger Gerard Depardieu mit einem alten Motorrad auf eine Reise durch Frankreich. Eine Innensicht eines Edelbordells der Belle Époque bietet dagegen "Haus der Sünde", den das Filmforum Bregenz zeigt.

Mammuth: Befreit schüttelt Serge (Gerard Depardieu) am letzten Arbeitstag im Schlachthaus nach Ablegen des Haarnetzes sein langes grau-blondes Haar, doch in der Rente weiß dieser Berg von einem Mann nicht allzu viel mit sich anzufangen: Puzzeln langweilt auf die Dauer ebenso wie das Zählen der Autos, die an der Wohnung vorbeifahren.
Nicht gerade glücklich stimmt ihn auch, dass er aufgrund fehlender Arbeitsnachweise nur eine minimale Pension erhalten soll. Doch gerade dieser Umstand löst ihn unter Einwirkung seiner Frau (die wunderbare Yolande Moreau) aus der Lethargie und lässt ihn aktiv werden: Er macht seine Münch-Mammut, Baujahr 1972, die jahrelang eingemottet in der Garage stand, wieder flott und versucht seine zahlreichen früheren Arbeitgeber ausfindig zu machen. Viel Glück hat er dabei zwar nicht, denn kaum eine seiner früheren Arbeitsstellen existiert noch, doch dafür führt ihn die Reise tief in seine eigene Vergangenheit zurück, lässt ihn die Bruchstücke seines Lebens aufarbeiten und wie ein Puzzle neu ordnen.
Wie bei Gustave de Kervern und Benoît Delépine nicht anders zu erwarten, reiht sich hier eine ziemlich schräge Begegnung an die nächste. Zwingenden dramaturgischen Aufbau gibt es so wenig wie in „Louise Hires a Contract Killer“, in dem das französische Regieduo zuletzt mit den Wirtschaftsbossen von heute gnadenlos abrechnete. Locker reihen sie Szenen aneinander, erzählen wie Aki Kaurismäki in langen distanzierten Einstellungen lakonisch und scheinbar teilnahmslos. Doch unter der herben Oberfläche und hinter dem Schmuddel-Look der Bilder, mit dem sich Kervern/Delépine in Opposition zum Hochglanz-Kino stellen, wird eine große Empathie und Zärtlichkeit für die Unterprivilegierten sichtbar. Es ist nicht zuletzt diese Ambivalenz zwischen Tristesse und Verzweiflung auf der einen Seite und den Schönheiten des Lebens und dem Glauben an die Würde des Menschen auf der anderen, die diesem ruppigen schwarzhumorigen Film seinen Reiz verleiht.
Spielboden Dornbirn, Kantine: Mi 29.8., 21 Uhr


L´Apollonide (Souvenirs de la maison close) - Das Haus der Sünde: In der Nachfolge von Louis Malles „Pretty Baby“ zeichnet Bertrand Bonello eine in opulenten Bildern schwelgende Innensicht eines Pariser Edelbordells der Belle Époque. Ganz auf die Innenräume beschränkt sich der Film, verlässt nur einmal bei einem Picknick im Grünen das Bordell. Weniger die Entwicklung einer Handlung als vielmehr das alltägliche Leben der Prostituierten steht im Mittelpunkt. Bei der Körperpflege tratschen sie miteinander, sitzen tagsüber müde in den Gängen und spielen abends mehr oder weniger gezwungen mit den Herren der vornehmen Gesellschaft, unterhalten sie und erfüllen deren Wünsche.
Bonello erzählt ganz aus der Perspektive der Prostituierten, bleibt aber gleichzeitig immer distanzierter Beobachter. Mit opulenter Ausstattung und warmen Braun- und Goldtönen in Bildern, die vielfach an Gemälde erinnern, beschwört er diese abgeschlossene Welt, verklärt sie aber nie. Geradezu klinisch nüchtern schildert er die Einführung einer Novizin in ihr Arbeitsfeld oder die Untersuchungen durch den Amtsgynäkologen, kühl blickt er auf die dekadenten Spiele mit Champagner-Bad. Distanz schafft Bonello aber auch durch den Soundtrack, durch den die historische Ebene immer wieder mit Rocksongs aus den 1960er Jahren aufgebrochen wird, durch mehrfach eingesetzte Splitscreens oder die Schlussszene, mit der er abrupt zum Straßenstrich der Gegenwart springt. – An den Abhängigkeitsverhältnissen hat sich nichts geändert, doch der abgeschlossene geschützte Raum ist verschwunden.
Filmforum im Metrokino Bregenz: Do 30.8., 20 Uhr + Sa 1.9., 22 Uhr