Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Bader · 24. Sep 2012 · Musik

Ein starkes europäisches Herz - Heartbeat am Spielboden

Die neue Saison der Jazz&-Reihe im Dornbirner Spielboden eröffnete am Samstagabend das hochinteressante Quartett Heartbeat feat. Helge Andreas Norbakken.

Am vergangenen Samstagabend konnte man im gut besuchten Dornbirner Spielboden in zwei spannenden Sets ein weiteres Mal erfahren, dass der Jazz nicht nur viele Stile hervorgebracht hat, sondern auch durchlässig ist für viele Einflüsse aus vielen Musikrichtungen. Die neue Jazz-Formation Heartbeat, ein vierköpfiges Dream Team um den norwegischen Schlagzeuger und Perkussionisten Helge Andreas Norbakken, überzeugte mit komplexen Eigenkompositionen genauso wie mit klug arrangierten Cover-Versionen zweier Jazz-Standards und einer Alternative-Rock-Nummer. Groove, Drive, Swing, aber auch experimentelle, sphärische Klanggebilde waren die Ingredienzen, die für Begeisterung sorgten. Druckvollen Passagen wurden Momente der Stille gegenübergestellt, Uptempo-Nummern langsame Stücken.

Die musikalischen Strukturen, die man hörte, waren transparent, aber doch dicht. Die Themen vieler Kompositionen wurden zum Teil unisono gespielt, waren aber auch oft mit Gegenstimmen verzahnt. Der deutsche Saxophonist Andreas Krennerich und der Vorarlberger Trompeter und Hornist Herbert Walser-Breuß exekutierten hierbei die ineinander verschachtelten Melodielinien mit äußerster Präzision durch, viele Phrasen aus diesen Themen wurden aber auch vom deutschen Kontrabassisten Florian King aufgegriffen. Dies alles wurde mit einer Leichtigkeit musiziert, als wäre es die einfachste Sache der Welt.

Originelles Drumset

Mit erstaunlicher Leichtigkeit agierte auch der norwegische Schlagzeuger Norbakken an seinem originellen Drumset. Zwei Autofelgen dienten ihm als Hänge-Toms. Eine aufgestellte Bass Drum war sein zweites Stand Tom. Er benutzte ferner: eine elektronische Bass Drum, zwei afrikanische Djemben, verschiedene Becken. Keine Hi-Hat, keine Snare Drum. Genauso originell wie sein Schlagzeug war auch seine Spielweise. Da er keine Hi-Hat hatte, sang er die Sechzehntel in einer Art Mouth Percussion. Und: Als Sticks setzte Norbakken unter anderem unterschiedlich dicke Äste in Schlagzeugstock-Länge ein. Weiters verwendete er selbst gemachte Besen aus afrikanischem Gras. Und erzeugte mit diesem Instrumentarium stellenweise einen Drive, wie man ihn selten hört.

Virtuose Soli und Interaktion

Wer mit einem solchen Drummer zusammenspielt, kann sich beruhigt zurücklehnen und genießen – wenn er dazu noch einen Bassisten wie Florian King hat. Auf das rhythmisch-präzise Fundament von Norbakken und King bauten die beiden Solisten Krennerich und Walser-Breuß an diesem Abend viele Soli, mit denen sie sich nicht nur einmal mehr als große Virtuosen an ihren Instrumenten vorstellten, sondern auch als begnadete Melodiker – mit einem kultivierten Ton auf ihren Instrumenten. In „Myxomitosis“, einer Uptempo-Nummer der britischen Alternative Rock Band Radiohead, entwickelte Krennerich nicht nur wehmütige Melodiebögen auf seinem Sopranino-Saxophon, sondern realisierte auch schnelle, swingende Jazz-Läufe. Ein Meister der Jazz-Phrasierung, der sich zum Teil recht ungewöhnlichen Tonmaterials bedient. Etwa einer neuntönigen Skala, die auf Ideen des französischen Komponisten Messiaen beruht. On cue wurde in den Stücken interaktiv immer wieder die Rückkehr zu den Themen angezeigt.

Loops

Moderne Jazz-Bands beziehen heutzutage auch Elektronik in ihr Spiel ein. So auch Heartbeat. In „Ins Weite“, einer Krennerich-Komposition von epischer Länge, spielte Walser-Breuß auf der Trompete live hintereinander zwei Phrasen in sein Effekt-Gerät ein, die ihm im zweistimmigen Loop als Background für seine geschmackvolle Improvisation dienten.

Auch King war mit einem reich-bestückten Effektboard ausgerüstet; er setzte es etwa bei „Schichten“, einer weiteren Komposition von Krennerich, ein. Ein Kontrabassist, der nicht nur mit den Fingern, sondern auch mit dem Bogen auf seinem Instrument einen tollen Sound erzeugen kann.

Klassiker

Dem genialen Jazz-Saxophonisten John Coltrane wurde an diesem Abend gleich mit zwei Nummern Tribut gezollt: In „A love supreme“ arbeiteten King und Norbakken das markante Riff punktgenau heraus. In „Resolution“ spielten Krennerich am Sopran-Saxophon und Walser-Breuß an der Trompete das bekannte Thema über den präzisen Kontrabass-Groove.

Das fünfte Band-Mitglied

Ingo Rau aus Freiburg sorgte am Mischpult für den perfekten Sound. Für King, der das Konzert auch moderierte: „das fünfte Band-Mitglied“. Viel Applaus für eine neue Jazz-Formation! Als Zugabe gab es „Far away so close“, eine Komposition aus Kings Feder.