Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Bader · 29. Dez 2011 · Musik

Ein Konzept, das funktioniert

Für tosenden Applaus sorgte am Mittwochabend im sehr gut besuchten Dornbirner Spielboden Marcus Nigsch alias Geordie Gill.

Eröffnet wurde der Abend vom US-Amerikaner Chris Laine, der sich in letzter Zeit einen Namen als Bandmusiker in diversen Vorarlberger Formationen gemacht hat. So etwa bei Gordon Blue, der Harry Marte Band oder Hans Platzgumers Convertible. Dass er auch das Zeug zum Solo-Künstler hat, bewies der sympathische 46-Jährige im Vorprogramm des Haupt-Acts Geordie Gill. Mit klarer heller Stimme performte Laine in Singer-Songwriter-Manier vier Titel aus eigener Feder und eine Cover-Version, Neil Youngs „I'm the ocean“. Diese Nummer war wohl kein Zufall, erinnerte Laines Vortrag doch schon gleich von den ersten Noten an an die Stimme Youngs. Als Vokalist intonationssicher, rhythmisch präzise und geschmackvoll in der Phrasierung, begleitete er sich souverän auf der zwölfsaitigen Akustikgitarre und nahm das Publikum mit auf eine Zeitreise durch sein Musiker-Leben. Viel Applaus für Chris Laine.

Kunstfigur Geordie Gill

Recht unspektakulär begann der 39-jährige Marcus Nigsch seine Show. Trat er doch zuerst - in Jeanshemd - als Privatmann Nigsch ans Mikrofon, um in einführenden Worten das Konzept rund um die Kunstfigur Geordie Gill zu erläutern und jenen, die es verwirklichten, etwa Frank Mätzler und Alex Nussbaumer, zu danken. Ein Signal, dass es sich hier noch um die Privatperson Nigsch handelte, war auch der Umstand, dass Nigsch auf Vorarlbergerisch redete. Dann verließ er die Bühne.

Auf die hintere Leinwand wurde die markante Figur Geordie Gills projiziert: dargestellt als verzweifelter Gefangener in einer ihm fremden Welt. Ein  englischer Gentleman und Poet des 19. Jahrhunderts, der sich zeitreisend in unserem beschleunigten 21. Jahrhundert nicht zurechtfinden kann (Visuals: Hans Jörg Kapeller und Yvonne Nägele). Verdeutlicht wurde Gills Existenz als gehetzter Flüchtling auch durch einen von Nigsch gesprochenen, eingespielten englischen Text.

Entschleunigte Gegenentwürfe

Nicht nur eine durchdachte Inszenierung mit Video-Projektionen (neben der Figur Gills etwa auch Naturlandschaften als entschleunigte Gegenentwürfe zu unserer hektischen modernen Welt), sondern auch ein dramaturgischer Aufbau mit einem erkennbaren Spannungsbogen kennzeichnete das Konzert. Der erste Titel war auch der letzte des ca. 90-minütigen Sets: „Geordie Gill“. Jener Song aus Ralph Vaughan Williams Folk Song-Sammlung „Bushes and briars“, der Nigsch zu seiner Figur inspiriert hat. Rockig umgesetzt, druckvoll, mit einem äußerst disponierten Nigsch am Mikrofon. Tonsicher. Rhythmisch genau phrasierend. Ab jetzt ganz als Geordie Gill performend. In seiner Kunstfigur aufgehend. In Gehrock, Gilet, Zylinder, Seidenschal, mit (moderner) Sonnenbrille und goldener Taschenuhr. Auf Hochdeutsch mit dem Publikum kommunizierend. An Marque-Zeiten erinnerten Nigschs Ausflüge ins Falsett. Heli Luger leistete am Mischpult an diesem Abend ganze Arbeit. Der Sound blieb transparent: trotz rockender Band waren die feinen Klänge des Streichquartetts im Hintergrund jederzeit gut wahrnehmbar.

Zahlreiche Spiel- und Kompositionstechniken

Spannend: Zwischen die von Nigsch modern arrangierten und auf der CD „Untimely adventures“ erschienenen Folk-Songs der Sammlung aus dem 19. Jahrhundert wurden zwei Kompositionen John Dowlands (1563 bis 1626) und zwei Kompositionen aus Nigschs Schaffen eingefügt; Werke, die barocken Kompositionstechniken nachspüren: das „Rondo No. VIII“ und die „Chaconne No. V“. Diese wurden vom Streichquartett allein gegeben. Für dessen Professionalität zeichneten Christof Unterberger (Cello), Monica Tarcsay (Violine), Klarignia Küng (Violine) und Monika Engel (Viola) verantwortlich. Dowlands Stücke wurden übrigens von Unterberger für Streichquartett adaptiert. Etwa „Fine knacks for ladies“, im Original für Laute und Sopran. Ein besonderes Schlaglicht wurde mit dem „Cello Solo No. 1“ auf Unterbergers Kunst geworfen. Ein Stück, das Nigsch seinem Cellisten auf den Leib geschrieben hat, und in dem zahlreiche Spiel- und Kompositionstechniken Anwendung finden.

Eine tighte Band

Als hervorragender Bandmusiker durfte Benny Omerzell in einem längeren Solo-Stück am Digital-Piano auch als Solist brillieren. Seine virtuose Improvisation mündete in ein wunderschönes Duett mit Geordie Gill. Sozusagen in die sanfte Unplugged-Version von „Red running rue“. Jener Song mit der vielleicht eingängigsten Melodie der CD, ein Song, der dann seine ganze bedrohliche Wirkung entwickelte, als die Band einsetzte. Eine tighte Band, für deren rhythmisches Fundament Rolf Kersting am Bass und Jörg Mikula an den Drums sorgten. Ergänzt durch Roger-Yves Sedalik an der E-Gitarre, der sein Können auch in einem langen jazzig-angehauchten Solo-Part zeigen durfte. Und natürlich Omerzell, der auch mit dem Clavinet- und Hammond-Sound vorexerzierte, dass er grooven kann.

Tosender Applaus. Zwei Zugaben. Ein gejammtes Funk-Rock-Stück, bei dem Nigsch auf dem E-Bass slappte und in seiner Gesangs-Improvisation Marque aufleben ließ. Und noch einmal „Red running rue“. Dieser Titel beschloss den Abend.