Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Thomas Kuschny · 29. Sep 2012 · Musik

Ein Hochamt für das Desperate – Carla Bozulich zu Gast im Spielboden

Der kirchliche Terminus ist nicht ganz zufällig gewählt, heißt doch das aktuelle Projekt der Amerikanerin denn „Evangelista“, und dies wohl kaum nach der Plastik-Schönheit vergangener Hochglanzmagazine. Von der Verkündigung der Frohbotschaft ist allerdings weit und breit nichts zu vernehmen, vielmehr wird hier eher alttestamentarische Schwere zelebriert.

Das Konzert beginnt mit echobeladenen, in weiten Hallräumen verwehten Soundscapes, minutenlang, gar nicht entfernt erinnernd an Pink Floyd vor mehr als 40 Jahren, passend dazu intoniert Frau Bozulich dann „The Winds of St. Anne“ eher freitonal. Songs wie dieser lassen natürlich mannigfaltige Variationen zu, Sounds können die Richtung bestimmen. Überhaupt hat man oft den Eindruck, der Text als Grundgerüst ist die Basis für allerhand Exkursionen. „I´m a worshipper of the drone“, soll sie einmal gesagt haben, die gesampelte, gnadenlose Unendlichkeit kehrt in vielen Liedern wieder. Dominic Cramp an Keyboard und Laptop generiert stimmige, kaputte Loops und Flächen, die an die toten Industriewüsten von Detroit erinnern.  Zusammen mit dem Soundtüftler „JHNO“- aka John Eichenseer, der schon interaktive Software für Leute wie Radiohead, Björk und Brian Eno geschrieben hat und an Schlagzeug und Violine etwas deplatziert wirkt, sind die beiden die klassischen, introvertierten „Shoegazer“-Typen. Tara Barnes am Bass dröhnt mehr als sie spielt und rundet so das zappenduster gehaltene Klangbild ab.

Dazu hebt Bozulich mit ihrer warmen, tiefen Stimme mit viel eindringlicher Emphase, aber weniger Pathos als zum Beispiel PJ Harvey, zu abgründigen Geschichten an. Von getöteten Liebhabern ist die Rede, von Verlorenheit und Tragik. „I´m lost“, „Drowned in sorrow“, „Damned“ etc. Schließlich: „I guess I did the wrong thing from the day I cracked my egg“. Sie singt ab und an in ein Kinderspielzeug, hält dessen Lautsprecher an den Pickup ihrer Gitarre und erhöht so noch den Intensitätsgrad. Dies scheint wie so oft mit ihrer alltäglichen seelischen Befindlichkeit nur bedingt zu tun zu haben, dient vielleicht als Ventil, die Frau kann nämlich definitiv auch lachen. Und das, obwohl sie ihrem Unmut betreffend der Weigerung des Publikums, sich in ihre unmittelbare Nähe zu begeben, freien Lauf lässt und somit das Gegenteil der von ihr ersehnten Intimität erntet. Die typischen Entertainer-Stehsätze ("I really enjoyed being here".. etc) wirken daraufhin wie ein Hohn. Durch eine kleine Selbstreflexion nach dem letzten Song, dem Cover von „Pissing“ der Band „Low“, ist dann aber wieder alles gut.