Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 12. Mai 2018 · Musik

Ein Doppelkonzert mit besonderem Flair – Neue Musik im Martinsturm und als „Nonclassical“ Performance im Magazin 4

Im Rahmen des Internationalen Bodenseefestivals, das dieses Jahr unter dem Motto „Russland. Vorwärts zu neuen Ufern“ steht, war der sowjetisch-britische Komponist und DJ Gabriel Prokofiew in Bregenz zu Gast. Das exklusive Konzerterlebnis profitierte von der Mischung aus realen Klängen und Liveelectronics sowie den guten Werkdeutungen des „ensemble plus“. Zudem gewährte der Konzertraum im Martinsturm, der die vielen Zuhörenden kaum fassen konnte, ein eindrückliches Ambiente. Abgerundet wurde der ungewöhnliche Konzertabend mit einem Clubbing im Magazin 4.

Der eindruckvolle Raum mit Rundumblick im restaurierten Martinsturm bot nicht nur einen wunderbaren Ausblick, sondern auch eine hervorragende Akustik für die Streicher und Bläser des „ensemble plus“ sowie den Komponisten, Soundkünstler und DJ Gabriel Prokofiev. Der Dreiundvierzigjährige ist ein Enkel des berühmten Sergej Prokofiev. In London machte er sich vor allem mit seiner Idee der „Nonclassical Sessions“ einen Namen.
Als Komponist zeitgenössischer Musik sowie DJ und Musiker im Bereich der Liveelectronic nutzt er die Clubatmosphäre, um neue Musik in einem ungezwungenen Rahmen in Beziehung zur DJ-Kunst zu stellen und hat damit großen Erfolg. Genau diese Idee lag auch dem Clubbing im Magazin 4 zugrunde, das im Anschluss an das Stehkonzert im Martinsturm gegeben wurde. Die total unterschiedlichen Veranstaltungsräume im Martinsturm und im Magazin 4 lösten anregende Wechselwirkungen aus und machten wieder einmal deutlich wie viel Einfluss der Raum und die Atmosphäre auf die Wahrnehmung der Musik haben.

Elektronische Sounds als Vervielfachung

Im Martinsturm erklangen Werke der russischen Komponisten Sergej und Gabriel Prokofiew sowie Ian Maskin in Kombination mit dem deutschen Moritz Eggert und dem Vorarlberger Komponisten Wolfgang W. Lindner. Als Reminiszenz an Sergej Prokofiev spielten Antia Martinek und Susanne Mattle das Andante Cantabile aus dem op. 56 für zwei Violinen und ließen vor allem mit den bogenförmig angelegten Intensitätsgraden der melodischen Linien aufhorchen. Aus dem Ballett „Cinderella“ seines Großvaters bearbeitete Gabriel Prokofiev die berühmte „Dancing Lesson“ für Violinduo. Zwar fehlte die Farbigkeit des ursprünglichen Orchestersatzes, doch die unterhaltsam illustrative Umtriebigkeit kam zur Geltung.
In seinen kompositorischen Arbeiten verbindet Gabriel Prokofiew zahlreiche Stiltypen, ethnische Anklänge und tanzbare Rhythmen bilden die Quintessenzen. Unmittelbar zugänglich waren die Sätze aus Prokofievs erstem Streichquartetts, die Anita Martinek und Susanne Mattle (Violine), Andreas Ticozzi (Viola) und Detlef Mielke (Violoncello) energiegeladen spielten.

Die Positionierung der Sounds im Raum

Das interessanteste Stück von Prokofiev war eine Passage aus dem electronic ballet „Howl“, das 2013 für den Choreografen Maurice Causey entstanden ist. Die pulsierenden, surrenden und flüsternden Sounds boten eine ideale Grundlage für die Flötenstimme (Anja Baldauf). Dabei bildeten sich spannende Referenztöne aus und die Raumpositionierungen der Sounds änderte sich wirkungsvoll. Im Stück Float Dance aus den „Cello multitraks“ wurde durch Zuspielungen und Loops der musikalische Fluss vervielfältigt. Überdies entwickelten Detlef Mielke (Violoncello) und Gabriel Prokofiev mit den sukzessiv hinzugefügten Patterns einen effektvollen Verdichtungsprozess.
Im Wechselspiel zwischen realen Violoncellopassagen und Electronics von Gabriel Prokofiev verströmte Ian Maskins Werk „Windows of sorrow“ für Cello solo einen ähnlichen Charakter. Die modale Melodieführung und die Loops vom Computer wurden durch eine stete Beschleunigung intensiviert. Moritz Eggerts Werk „Consolations“ für elektronische Viola“ entfaltete Andreas Ticozzi, indem er den archaischen Charakter unterstrich. Durch den auf das Instrument gelegten Hall erhielten die Borduntöne eine fundierende Kraft, die auf die dazwischen gelagerten Flageolettklänge ausstrahlte.
Abwechslung bot Wolfgang W. Lindners Trio mit dem aussagekräftigen Titel „Una famiglia eccesiva“, das Anja Baldauf, Heidrun Wirth-Metzler (Fagott) und Markus Beer (Klarinette) amüsant und wirkungsvoll interpretierten.

Lustvolles Clubbing

Musik, die im Konzert für sich allein bestehen musste, kam im lockeren Ambiente des Magazin 4 anders zur Geltung. Hier erfuhren unter anderem Prokofievs erstes Streichquartett sowie die Cello Multitracks eine Fortsetzung. Darüber hinaus standen neben einem Werk von Vladimir Rosinsky auch Anton Weberns „Fünf Sätze für Streichquartett“ auf dem Programm. Das Ensemble spielte Passagen daraus, die Gabriel Prokofiev in einem Remix mit Electronics aufmischte. Funktioniert hat dies jedoch nicht, weil sich Weberns komprimierte Musik nicht mit den Electronics aufmischen ließ und so nicht mehr als ein aufgeputschtes Nebeneinander entstand. Hingegen fügte sich Gerald Futschers Stück für Viola und Zuspielung mit Andreas Ticozzi an der Bratsche und dem Komponisten an den Reglern sehr gut in die Clubbatmosphäre. Bereits die Einspielung der selbstfabrizierten Sing-, Sprach- und Kehllaute zogen die Aufmerksamkeit auf sich.
Die Idee der „Nonclassical“ Performance von Gabriel Prokofiev kam in Bregenz gut an und machte auch hierzulande erlebbar, wie neue Musik auf eine andere Art und in einem ungewöhnlichen Rahmen lustvoll zur Geltung kommen kann.