Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 24. Feb 2020 · Musik

Ein Aufsehen erregender Geiger – Jubel für Nemanja Radulović und das Staatliche Sinfonieorchester Russland

Der serbisch-französische Violinvirtuose Nemanja Radulović ist im internationalen Musikbetrieb eine schillernde Persönlichkeit. Wer ihn einmal live erlebt hat, vergisst seine musikalisch sprühenden und durchdringenden Werkdeutungen nicht mehr. Nun war der Musiker mit dem Staatlichen Sinfonieorchester Russland unter der Leitung von Andrey Boreyko zu Gast bei den Bregenzer Meisterkonzerten. Interpretiert wurden Werke von Liadov und Strawinski sowie das Violinkonzert von Aram Chatschaturjan. Nemanja Radulović musizierte atemberaubend und mit einer facettenreichen Ausdrucksweise, die die Zuhörenden sofort in seinen Bann zog.

Der 35-jährige Nemanja Radulović mischt nicht nur mit seinem außergewöhnlichen Outfit die Klassikszene gehörig auf. Seine überbordende Musikalität und sein berückend schöner Geigenton faszinierten auch im Bregenzer Festspielhaus. Es ist kein Wunder, dass Chatschaturjans Violinkonzert so selten auf den Programmen zu finden ist. Viele vertrackte Rhythmen, virtuos ziselierte ornamentale Motive in rasenden Tempi und leidenschaftliche Kantilenen zeichnen das ausdrucksstarke Werk aus. Genau diese Musik schien wie geschaffen für den temperamentvollen Musiker, der auf der Bühne kein bisschen extravagant wirkte, sondern eine sympathische Spielfreude ausstrahlte. Charakterstark setzte Nemanja Radulović die Registerfarben auf seinem edlen Instrument in Szene.

Große Farbpalette

Viel gäbe es zu berichten über die rhetorisch ausgeformten Themengestalten, das intensive sich selbst Zuhören sowie die Kommunikation des Solisten mit den Orchestermusikerinnen und -musikern im Eröffnungssatz. Besonders in Erinnerung blieb die Ausgestaltung der Zeit im langsamen Satz, in dem der Solist eine weite musikalische Landschaft evozierte. Spektakulär wirkte auch das fulminant gestaltete Finale, in dem Nemanja Radulović von der Musik durchflutet wirkte und die Zuhörenden fesselte, so dass sich im Saal eine zugleich inspirierende und spannungsgeladene Atmosphäre ausbreitete.
Das Staatliche Sinfonieorchester Russland mit Andrey Boreyko musste sich als Orchesterpartner zuerst finden. So wirkten die Musikerinnen und Musiker am Beginn etwas steif, fanden aber spätestens nach der ersten Kadenz in ihre Rolle. Prägnant modellierte das Orchester die Pendelbewegungen des Borduns im Andante sostenuto und gestaltete die epischen Passagen voller Leidenschaft aus. Fulminant wirkte überdies die melodisch-rhythmische Steigerung im Finale.

Gut ergänzende Werkauswahl

Die musikalischen Bilder von Anatoli Liadov sind Raritäten, die selten im Konzertsaal zu erleben sind. Einen großen Eindruck hinterließ das Werk „Der verzauberte See“, in dem die Orchestermusikerinnen und -musiker ein impressionistisch gefärbtes, fein verwobenes Klanggewebe entfalteten. Vergnügen bereitete „Kikimora“, in dem das Thema des Englischhorns die Aufmerksamkeit auf sich zog. Vom Dirigentenpult aus zog Andrey Boreyko die Zügel immer mehr an und sorgte damit für eine spannungsgeladene Werkdeutung.
Hervorragend ins Programm passte auch die Ballettsuite „Feuervogel“ von Igor Strawinski. Teilweise gestaltete das Staatliche Sinfonieorchester Russland die ersten Abschnitte etwas undifferenziert aus. Doch exzellente Soli ließen immer wieder aufhorchen und schließlich entwickelte sich ein energiegeladener Sog zwischen den guten und bösen Mächten, der in einer groß angelegten Apotheose ein imposantes Ende fand. Andrey Boreyko leitete das Orchester mit großer Aussagekraft und klaren Einsätzen.