Ein anregendes Wechselbad der Gefühle – Jubel für das Concerto Stella Matutina unter der Leitung von Wolfram Schurig
Zu einem stimmungsvollen Konzertabend lud das „Concerto Stella Matutina“ in die Kulturbühne AMBACH. Unter dem Motto „Die vier Tageszeiten“ hat der Blockflötist und Komponist Wolfram Schurig ein Pasticcio zusammengestellt, das die kompositorische Raffinesse des Barockkomponisten Antonio Vivaldi aus mehreren musikalischen Blickwinkeln beleuchtete. Die hervorragende Werkauswahl bot viel Abwechslung und die feinsinnig agierende Sopranistin Ida Aldrian sowie die herausragenden Solistinnen und Solisten aus den Reihen des Orchesters begeisterten in vielerlei Hinsicht.
„Die vier Tageszeiten“ zelebrierte das „Concerto Stella Matutina mit einer Lichtdramaturgie, die vom Dunkel über die Dämmerung ins Helle und wieder in die Nacht führte. Die musikalischen Ausdrucksgehalte der dargebotenen Concerti, Sinfonien und Opernarien von Antonio Vivaldi spannten, ganz dem italienischen Stil und barocken Empfinden entsprechend, einen großen emotionalen Bogen mit großen Gefühlen.
Klug angelegt erklangen die Kompositionen in vier Abschnitten. In allen traten Musikerinnen und Musiker aus den Reihen des Concerto Stella Matutina mit Soli in den Klangvordergrund, die Bewunderung auslösten. Im Allegro aus dem Concerto RV 97/1 entfaltete die Viola d’amore als Soloinstrument, feinsinnig musiziert von Lucas Schurig-Breuß, ihren besonderen Charme. Ida Aldrian formte die Arien „L’ombre, l’aure“ sowie „Se un cor soffrir saprà“ mit viel Emotion. Zuerst verstärkte das warme Timbre der Sopranistin den leidenden Grundton, unterstrichen durch die hinter der Bühne erklingenden Echos der Oboe. Tremolierende Blockflöten und die Chromatik der melodischen Linie verstärkten die Spannung in der expressiven zweiten Arie. Darin stellte die Sopranistin den Herzschmerz der Protagonistin aus Vivaldis Dramma per muscia „Arsilda, regina di Ponto“ mitreißend in den Raum. Den Höhepunkt des Vormittags innerhalb der „Vier Tageszeiten“ bildete die Sinfonia aus der Tragedia per musica „Bajazet“. Die blockartig aufgebaute Dynamik, die markanten Tonrepetitionen der Hörner und die dazwischen geschalteten reflektierenden Ebenen ermöglichten unterschiedlichste Hörperspektiven.
Die Wechselbäder der Gefühle spiegelte auch der nachfolgende musikalische Block wider, in dem der Nachmittag in musikalische Bilder gefasst wurde. Klar, dass die Sinfonia „La Tempesta“, in der das aufkommende Unwetter mit gut nachvollziehbaren musikalischen Motiven versinnbildlicht wurde, an Vivaldis berühmtestes Werk „Die vier Jahreszeiten“ denken ließ. Die emotionsgeladen ausgestaltete Arie „Gemo in un punto e fremo“ illustrierte mit treibenden chromatischen Sekundschritten und spitzen Phrasen, aufwallenden Bögen und brodelnden Flächen das Geschehen. Für die Sopranistin mitunter fast zu heftig, wurde der musikalische Fluss angezogen.
Von wegen immer das Gleiche
Eine Erholungsinsel bot das wunderbar entspannt musizierte Allegro aus dem Concerto (RV 425/I) für Mandoline, Streicher und B.c. mit Thor-Harald Johnsen als Solisten.
Zur gedachten Abendstimmung hatte die Konzertmeisterin Maria Kubizek ihren Auftritt. Im Zusammenwirken mit der Sopranistin wurde in „Sovente il sole“ eine intime Zwiesprache entfaltet. Die eher tief gesetzte Singstimme in Verbindung mit der den Vokalpart umspielenden Geige verstärkte die große Aussagekraft. Die Pole zwischen Ekstase und Stillstand lotete Maria Kubizek mit einer betörenden Spielart aus, die die mucksmäuschenstill Zuhörenden in ihren Bann zog. Tänzerisch ging der klangsinnliche Konzertabend mit dem Einbruch der Dunkelheit zu Ende.
Spätestens seit Igor Strawinsky herablassend über Vivaldis Kompositionen spottete, wenn man eines seiner 500 Konzerte kenne, kenne man alle, wird der „Vielschreiber“ Antonio Vivaldi und dessen gigantisches Oeuvre mitunter wenig wertschätzend beurteilt. Doch diese Vorurteile strafte das Concerto Stella Matutina eindrücklich Lügen. Die wirkungsvollen und vielgestaltigen Stilmittel, mit denen Vivaldi Naturereignisse, Tierlaute und Umgebungsgeräusche in Musik fasste, setzte das CSM eindrücklich in Szene. Auch die Analogien zwischen Naturschilderungen und Emotionen waren eindrücklich nachvollziehbar. Alle Orchestermusikerinnen und -musiker wirkten sehr präsent, sie spielten mit straffen und energiegeladenen Akzentuierungen und Phrasierungen, bauten Steigerungen terrassenartig auf und formten ausgeklügelte dynamische Nah- und Fernwirkungen. Die energiegeladene Musizierart in den schnellen Sätzen erlaubte es den, in langsamen Passagen für Entspannung zu sorgen, indem die musikalischen Linien in aller Ruhe entfaltetet erklangen.