Durchdringendes gemeinsam erleben – Standing Ovations für die Chorakademie Vorarlberg, die Sinfonietta Vorarlberg und Markus Landerer
Mit der Aufführung von Beethovens „Missa Solemnis“ op. 123 stellten sich die Vorarlberger Chorakademie und die Sinfonietta Vorarlberg mit ihrem musikalischen Leiter Markus Landerer einer Mammutaufgabe. Die neunzig Sängerinnen und Sänger gaben alles, stellten eine bewegende und inspirierte Werkdeutung in die Kapelle des Landeskonservatorium und ernteten dafür jubelnden Beifall. Gut harmonierte das Solistenquartett Monika Riedler (Sopran), Annely Peebo (Alt), Alexander Pinderak (Tenor) und Daniel Ochoa (Bass) mit dem Chor.
Beethovens „Missa Solemnis“ ist in mehrerlei Hinsicht ein gigantisches Werk. Ohne Kompromisse komponierte Beethoven eine Musik, die seine spirituelle Sicht auf die Welt und den Glauben, kompositionsgeschichtliche Traditionen und individuelle künstlerische Freiheiten mit einer unglaublichen musikalischen Stilvielfalt zum Ausdruck bringt. An die Chorsängerinnen und -sänger stellt dieses Werk höchste Ansprüche und fordert den vollen Einsatz bis in höchste Lagen im Fortissimo.
Die Frage, in welcher Art und auf welchem musikalischen Niveau die Chorakademie Vorarlberg die Herausforderungen meistern wird, war spannend. Geboten wurde ein Hörerlebnis, das höchste Wertschätzung verdient. Der unbedingte Gestaltungswille und die Freude am gemeinsamen Gestalten waren den Sängerinnen und Sängern ins Gesicht geschrieben und an der musikalischen Spannkraft nachzuvollziehen. Gleichzeitig wurde der berühmte Satz von Ehrenfels erfahrbar, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. Sogleich nach dem Beginn im Kyrie entwickelte der homogene Chorklang eine Sogwirkung, die die Zuhörenden mitten hinein ins Geschehen führte.
Mit Blick auf die Details und den großen Bogen
Detailreich deutete Markus Landerer das Chor- und Orchesterwerk aus, Tonsymbole, charakteristische Intervalle und harmonische Schattierungen kamen hervorragend austariert zur Geltung. Auch der Bogen über das Werkganze hinweg verströmte eine große Wirkung, weil die Tempi gut ausgelotet wirkten. Auf der einen Seite steuerten Steigerungen und thematische Verdichtungsprozesse den Gesamtverlauf. Auf der anderen Seite ermöglichten in sich ruhende Passagen Kontemplation. Die in den musikalischen Verlauf mit einbezogene Pause nach der groß angelegten Fuge in Gloria sowie die lange Stille nach dem Ende des verinnerlicht ausgedeuteten „Dona nobis pacem“ unterstrichen die Wirkmacht der Musik.
Viel Aufmerksamkeit widmete Markus Landerer auch der dynamischen Ausgestaltung des komplex angelegten Werkes. In der bewussten Zurücknahme steigerte die Chorakademie besonders im Kyrie, im Credo sowie im Adagio espressivo des „Crucifixus“ die Aussagekraft, indem mannigfaltige dynamische Gewichtungen geschaffen wurden. Markus Landerer motivierte die Sängerinnen und Sänger auch zur Textdeutlichkeit. Insbesondere den Fugen verliehen die prägnanten Artikulationen Profil.
Das Solistenquartett mit der Sopranistin Monika Riedler, der Altistin Annely Peebo, dem Tenor Alexander Pinderak und dem Bariton Daniel Ochoa verströmte eine homogene Klangwirkung als Vokalquartett. Gleichzeitig hoben sich die stimmlichen Charaktere vom Chorklang ab und ergänzten den Vokalpart gut.
Im Dialog miteinander
Im Vergleich zum 90-köpfigen Chor und der kompositorischen Anlage der Missa Solemnis war die Streichersektion der Sinfonietta Vorarlberg eher klein besetzt. Dies hatte zwar den Vorteil, dass das Orchester ein stets flexibles musikalisches Fundament bildete. Jedoch fehlte mitunter die orchestrale Brillanz. Klangsinnlich und emphatisch zelebrierte die Konzertmeisterin Sandra Marttunen ihren ausgedehnten Solopart und trat in feinsinnige Dialoge mit den Sängerinnen und Sängern.
Beim Dirigenten Markus Landerer liefen die Fäden zusammen, er war ganz Ohr bei den Sängerinnen und Sängern. Was und wie er jede einzelne Passage des gigantischen Werkes ausgestaltet haben möchte, wusste er sehr genau und leitete alle Mitwirkenden mit leidenschaftlicher Gestik und Körpersprache an. Die inhaltsreiche Werkdeutung wird noch lange nachwirken.