Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Anita Grüneis · 22. Mai 2018 · Musik

Die wilden Bretonen mit ihren alten Instrumenten an der Schlossmediale

Es sind Konzerte der besonderen Art, die an der Schlossmediale Werdenberg zu hören sind. Neben der Musik und den Ausstellungs-Werken zu einem speziellen Motto (2017: „Idylle“, 2018: „Wild“) steht auch jeweils ein Künstler im Fokus. Dieses Jahr ist dies der Komponist Heiner Goebbels. Der 1952 in Deutschland geborene Musiker ist seit Ende der 1980er Jahre ein Wegbereiter für das zeitgenössische Musiktheater. In Werdenberg wurde jenes Stück uraufgeführt, das Goebbels im Auftrag der Schlossmediale geschrieben hat. Es musste mit dem Schloss, dem Umfeld und dem Thema „Wild“ in Verbindung stehen. „No 20/58 for Bagpipe Solo“ nannte es Heiner Goebbels. 

Anders als sonst, wurde das Publikum für die Uraufführung in den Schlosshof gebeten und zwar zu den Nischen der Schlossmauer und dem Treppenaufgang. Von dort konnte man hinunter auf den See und zur evangelischen Kirche mit ihrem markanten Turm blicken. Nachdem die Kirchturmuhr 20 Uhr geschlagen hatte, war aus weiter Ferne plötzlich der Klang eines Dudelsackes zu vernehmen. Der Klang kam näher und irgendwann war ein schwarz gekleideter Mann zu sehen, der am Ufer des Sees entlang ging und Dudelsack spielte. Passanten blieben stehen, lauschten, hörten ihm zu, aber der Mann ging unbeirrt weiter, der Klang seines Instruments kam langsam näher. Während im See Enten und Schwäne das Wasser pflügten, antworteten von einer Wiese Schafe mit einem herzhaften Blöken auf die Dudelsacktöne. Dann war der Mann verschwunden, aber seine Musik kam hörbar näher. Auf einmal war er zu sehen, der schwarz gekleidete Erwan Keravec mit seinem Instrument, ruhig schritt er die letzten Treppen zum Schloss hinauf, spielte dabei eine einfache Melodie, war am Ziel angelangt, betrat den Schlosshof und beendete dort das Werk „No 20/58“ von Heiner Goebbels. Die abendliche Serenade für den Werdenberger See und sein Schloss war vorbei. Das Publikum dankte mit viel Applaus.
Es war ein dramaturgisch gelungener Auftakt für das Konzert „Au Coeur de la Forêt“, in dessen Mittelpunkt die Klänge und Töne des Ensembles „Quatuor Sonneurs“ standen, die mit alten bretonischen Instrumenten „wilde“ Zeiten aufleben ließen. Was das bedeutete, wurde bei jedem Stück deutlich - die vier Musiker Erwan Keravec, Dudelsack, Guénolé Keravec, Trélombarde, Erwan Hamon, Bombarde und Mickaël Cozien, Biniou, schienen sich nahezu die Lungen aus dem Leib zu blasen.

Mitterer und die Ode aus Japan

Noch im Schlosshof interpretierten sie das Stück „Run“ des österreichischen Komponisten Wolfgang Mitterer. Der Meister der elektronischen Musik sagte vor einigen Jahren in einem Interview „Ich neige sogar manchmal dazu, das weniger als Musik zu betrachten, sondern mehr als Installation.“ Lebendige Musiker sind für ihn jedoch unabkömmlich. „Auf die werden wir nie verzichten können, es geht ja beim Musik Machen vor allem um ein unaussprechbares Vokabular, zum Beispiel eine transzendente Verbindung zwischen den Köpfen. Es geht ja nicht darum, irgendwelche Töne zu installieren, sondern um gedankliche Kollisionen oder Kulminationen, darum, dass man plötzlich aufspringt und tanzen will: Das ist Musik.“ Bei „Run“ wollte anscheinend niemand aufspringen und tanzen. Auch die „Ode funèbre à Tristan“ von Susumu Yoshida war eher dazu geeignet, zu staunen, wie elegisch klagend die Instrumente der Bretonen klingen können, vor allem die Bombarde tönte immer wieder wie eine lamentierende Jazztrompete.

Laut und etwas eintönig

Für die letzten beiden Stücke musste das Publikum die 92 Stufen in das Dachgeschoss des Schlosses hinaufsteigen. Dort interpretierte Erwan Keravec zunächst „Spas“ des französischen Komponisten Samuel Sighicelli. Dabei ließ Keravec seinen Dudelsack knattern und knistern, klagen und summen, heulen und bibbern, baute ein hohes und dichtes Tongebäude auf, das sich dann plötzlich dehnte, weit wurde und fast zu schnell endete. Anders hingegen sein eigenes Stück „Sans Titre Provisoire“. Dazu hatten sich zwei Musiker ins Dachgebälk verzogen und ein weiterer stand in der Seite des Daches. So kommunizierten sie mit dem Komponisten Keravec, der auf der Bühne mit seinem Dudelsack den Ton angab. Später spielten alle miteinander auf der Bühne. Das Stück wirkte allerdings etwas eintönig, lang und sehr, sehr laut. Der Herr vor mir entschlummerte sanft, trotz Lautstärke und Ohrstöpsel, die vorsorglich zu Beginn verteilt worden waren.