Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Anita Grüneis · 28. Mai 2018 · Musik

Die „wilde“ Saison auf Schloss Werdenberg ist zu Ende

Die siebte Werdenberger Schlossmediale mit dem Thema „Wild“ ist Geschichte. Die letzten Aufführungen zeigten noch einmal die Qualität dieses Pfingstfestivals. Gezeigt wurden hochwertige und zugleich ungewöhnliche Hörereignisse, bei denen es immer etwas zu entdecken gab, seien es Kuhhörner, mit denen „wilde“ Töne produziert wurden, die Geschichte „Das Hörrohr“ der Surrealistin Leonora Carrington, ein Klangabend am Voralpsee mit Feuerzauber und Drohnenmusik oder das Grande Finale im Schlosshof mit Wein, Weib und Gesang. Das Publikum erlebte sowohl meditative Vokalmusik als auch avantgardistische Performances. Vier Konzerte (das Eröffnungskonzert „Wildwerke“, die „Alehouse Sessions“ mit den Barokksolistene, „Tiefe Wasser“ am Voralpsee und der Flamencoabend „Diálogos Salvajes“) waren sogar ausverkauft. Insgesamt besuchten knapp 2200 Personen das zehntägige Festival für Alte und Neue Musik und Audiovisuelle Medien in Werdenberg.

Die künstlerische Leiterin Mirella Weingarten ist denn auch „wild“ zufrieden mit dieser siebten Schlossmediale: „Sie war ausgelassen wie die 'Alehouse Sessions' der Barokksolistene, exzentrisch wie das Konzert Balgerei mit seinen Staubsaugern und Akkordeons, archaisch wie die Dudelsackklänge des Quatuor Sonneurs und ursprünglich wie der Abend 'Tiefe Wasser' inmitten der Berge am Voralpsee. Und dass Heiner Goebbels in diesem Jahr unser Komponist und Künstler im Fokus war, hat mich wirklich glücklich gemacht. Goebbels lässt sich in seinen Arbeiten weder durch bestimmte Genres noch durch räumliche Gegebenheiten einschränken, bei ihm existieren verschiedenste Kunstformen stets gleichberechtigt nebeneinander. Diese Art zu arbeiten entspricht sehr der Art und Weise, wie ich auch die Schlossmediale sehe.“

Die literarische Entdeckung: Leonora Carrington

Das Festival sorgte auch literarisch für Überraschungen. Beim „musikalischen Theaterabend“ gab es die englische Autorin und Malerin Leonora Carrington zu entdecken, die im Jahr 1976 ihr Prosa-Stück „Das Hörrohr“ schrieb. Darin werden die letzten Jahre der 92-jährigen zahnlosen und nahezu tauben Marian Leatherby beschrieben, die bei ihrem Sohn lebt und von ihrer Freundin Carmella ein Hörrohr geschenkt bekommt. Dadurch hörend geworden, erfährt Marian, dass ihre Familie sie in ein Heim abschieben will. In diesem Heim geschehen äußerst merkwürdige Dinge. Die Geschichte beginnt heiter und erinnert zu Beginn an den Roman "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand". Unglaublich charmant und gewitzt schlüpfte die Schauspielerin Anna Böttcher in das Wesen der 92-jährigen Dame, dass Zuhören und Zuschauen zum Genuss wurde. Das Publikum hing an ihren Lippen, ließ sich hin und wieder von der Musikerin Anna von Kriegstein ablenken, die ihren Flügel als Geräuschinstrument benutzte, was dank Videoprojektion gut hinter der Schauspielerin zu beobachten war und so zum Bühnenbild wurde. Ein intensives und erstaunliches Theatererlebnis. 

Die musikalische Entdeckung: Büchel und Kuhhörner

Ganz anders der Abend „Jauchzen, Orgeln und Jodeln“, an dem Heinz della Torre seine ungewöhnlichen Instrumente vorstellte wie den „Büchel“, eine Art gefaltetes Alphorn, das auch ähnlich tönt. Außerdem erzeugte er ungewöhnliche Töne mit riesigen Stierhörnern. Wolfgang Sieber spielte dazu an der Appenzeller Orgel und die einzigartige Jodlerin Nadja Räss – die bereits das sechste Mal mit von der Partie an der Schlossmediale war – bewies, dass ihre Stimme ein ganz eigenes Instrument ist. Manchmal schien sie sogar mit dem Klang des Flügelhorns zu verschmelzen. Die drei Musiker bescherten dem Publikum einen urchig-wilden Volksmusik Abend.  

Drohnenmusik und Feuerzauber

Beim Wandelkonzert „Tiefe Wasser“ am Voralpsee oberhalb von Grabs erlebten die Besucher meditative Naturjodel der Grabser Bergfinkli, lauschten den Tierstimmen aus dem Wald, den Klängen des Musikers Heinz della Torre mit seinen Naturhörnern und den Tönen der Sackpfeife von Markus Maggiori. Gegen Ende des Konzerts stieg geräuschvoll eine Klangdrohne auf und gab das Stück des 39-jährigen deutschen Komponisten Genoël von Lilienstern zum Besten. Feuertanz und leuchtende rote Regenschirme sorgten für „Ahs“ und Ohs“ am Schluss des Abends.
Das Grande Finale im Schlosshof aber gehörte dem andalusischen Flamenco. Die Sängerin Rocío Márquez, die vor zehn Jahren mit dem Lámpara Minera“, dem Oscar des Flamenco ausgezeichnet wurde, zeigte die künstlerische Vielfalt des Flamenco, Fahmi Alqhai interpretierte Barockmusik auf seiner Gambe und sorgte so für etwas Kammermusik-Atmosphäre. Dazu gesellte sich die 28 Jahre alte Flamencotänzerin Patricia Guerrero, die mit ihrer „wilden“ Lebenslust für einen furiosen Abschluss der 7. Schlossmediale sorgte. Nächstes Jahr soll das Festival sich eventuell dem Thema „Gold“ widmen.