Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 17. Mai 2016 · Musik

Die hohe Kunst des Chorgesangs und der Choraufstellung – Die Vocale Neuburg und Oskar Egle versetzten die Zuhörenden in Jubelstimmung

Fremdes, ungewohnt oder unbekannt, machten der Chorleiter Oskar Egle und der Kammerchor „Vocale Neuburg“ zum Thema ihres Konzertes in der Kulturbühne AMBACH. Im Mittelpunkt stand der Liederzyklus „Lieder eines Fremden“ von Thomas Thurnher. Extra aus Graz angereist war der Autor Jodgor Obid, der als Flüchtling aus Usbekistan eine Zeitlang auch in Vorarlberg gelebt hat. Er las in seiner Muttersprache die Gedichte und gab mit seinem Auftritt dem dringlichen Thema ein Gesicht. Die Sängerinnen und Sänger der „Vocale Neuburg“ waren in Hochform und präsentierten in unterschiedlichen Choraufstellungen sowie in einer originellen Regie die bunte Vielfalt von Liedern, unter anderem aus Südosteuropa und Skandinavien.

Der Dornbirner Thomas Thurnher wird als Chorkomponist weithin geschätzt. Vor mehr als zehn Jahren komponierte er die „Lieder eines Fremden“ nach Texten von Jodgor Obid. Beklemmend war die Aktualität der Texte, denn wohl jede und jeder im Saal hatte beim Lied „Das goldene Schiff“ die Bilder der Flüchtlinge in vollgestopften Schlauchbooten vor Augen.

Thomas Thurnher hat die Lieder über weite Strecken syllabisch angelegt und vielfältig mit melodischen Bögen verwoben, sodass sie textverständlich dargeboten werden konnten. Gut nachvollziehbare Motive, harmonische Schattierungen und chromatisch symbolträchtig geführte Linien setzte er textdeutend ein. Illustrierende Bewegungsverläufe sowie dynamische Verhältnisse implizierten Nähe und Entfernungen. Die Chorsängerinnen und -sänger formten den Liederzyklus textdeutlich, intonationssicher und sehr transparent aus, sodass sich eine eindrückliche Wirkung entfaltete. Zusammen mit den Textrezitationen von Jodgor Obid bildete sich ein abgerundetes Ganzes, denn die usbekische Sprache und sein Vortrag ergänzten die Musik hervorragend. Weil mir die Sprache vollkommen fremd ist, bildeten Wortwiederholungen Motive aus und im Vortrag kamen der Klang und der Rhythmus der Sprache als ideale Ergänzung mit der Musik zur Geltung.

Vielfältige Literatur


Von Ivan Karpati präsentierte die „Vocale Neuburg“ die Kantate „Psalm 103“. Mit dem Chor musizierte ein Violoncelloquartett mit Frank Westphal, Ingrid Lins, Iza van Holen und Thomas Dünser sowie Bernd Konzett am Kontrabass. Den Klavierpart gestaltete der Komponist selbst. Schwungvoll erklang der rhythmisierte Einstieg in das Werk, zahlreiche Bewegungsimpulse schufen Abwechslung und die dazwischen gelagerten langsamen Passagen gewährten lyrische Momente. In einer Mischung aus Ballade, Gospel, Spiritual und Choral entfalteten die Sänger und Musiker eine unterhaltsame, gut nachvollziehbare Musik. Vor allem die Fuge mit dem Gospelthema lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. Die Musiker peppten das Werk gehörig auf.

Eine Bereicherung


Geschickt war das Celloquartett in die Konzertdramaturgie eingegliedert. Denn vor allem mit dem sinnlich vorgetragenen Andantino von Konstantin Kosniezow schufen die Musiker eine willkommene Brücke von Thomas Thurnhers Liederzyklus hin zum nächsten Chorwerk.

In „Past Life Melodies“ von Sara Hopkins und mit dem „Ave Maria“ von Christian Dreo stellte die „Vocale Neuburg“ den feinsinnig ausbalancierten Gesamtklang und die gelenkige Stimmführung durch alle Registern hindurch sowie die hohe dynamische Flexibilität eindrücklich unter Beweis.

Wie präsent alle Chormitglieder ihrem Dirigenten folgten, war auch im zweiten Konzerteil mit Liedern aus Kroatien, Istrien, Slowenien, aus der Schweiz, den USA, Finnland, Norwegen und Afrika zu erleben. In immer anderen Choraufstellungen – ohne Chormappen - präsentierte die „Vocale Neuburg“ emotionsgeladene, melancholische und humorvolle Volkslieder. Egal, ob in Stimmgruppen aufgeteilt oder in Quartettbesetzung in unterschiedlichen Distanzen zueinander positioniert, stets bot der Chor vielerlei klangliche Anreize und immer neue Hörperspektiven.

Zahlreiche raffinierte Arrangements zogen dabei die Aufmerksamkeit auf sich. Und überdies trugen die einfallsreich eingesetzten Tücher, die die Frauen ebenso als Schürzen, Beutel, Kleider und Wiegen verwendeten, viel zum besonderen Ambiente bei. Oskar Egle leitete den Chor wie immer sicher, motivierend und professionell. So gaben die siebzehn Frauen und neunzehn Männer alles, was man sich von einem Chorkonzert wünscht und erhielten dafür frenetischen Applaus.