Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 22. Mär 2009 · Musik

Die höchste Kunst und die Mittelmäßigkeit

Dass der international gefeierte Cellist Clemens Hagen sein hohes Renommee ausgerechnet mit Haydns erstem Cellokonzert zu steigern vermag, hätte ich nicht für möglich gehalten. Gemeinsam mit dem Symphonieorchester Vorarlberg musizierte er in Schwarzenberg und faszinierte das Publikum vom ersten Ton an mit seinem individuellen Timbre. Die Artikulationen und Phrasierungsbögen entfalteten eine bisher selten gehörte Poesie in der Musik Haydns. Bei den Kadenzen spürte man die Spannung im Saal knistern. Gebannt von diesem Erlebnis konnte man die belanglose Spielart des SOV locker wegstecken.

Vielversprechender Beginn mit Theatermusik

Dietfried Bernet blickt auf eine sehr erfolgreiche Dirigentenlaufbahn zurück. Seit einigen Jahren lebt er im Bregenzerwald und zuletzt zog er die Aufmerksamkeit mit seinem Buch „Argumente für den Herrn im Frack - Was Sie schon immer über das Dirigieren wissen wollten“ auf sich. Für das aktuelle Abonnementprogramm des SOV brachte Dietfried Bernet die Ouvertüre zur Oper „Die verkaufte Braut“ von Bedrich Smetana, das erste Cellokonzert von Haydn und Dvoraks achte Symphonie zum Klingen. Obwohl die Stimmgruppen und die Solisten in den Reihen der Holz- und Blechbläser durchaus überzeugen konnten, fehlte dem Konzert im Angelika Kauffmannsaal in Schwarzenberg über weite Strecken der Esprit. Zu Beginn wurden mit Smetana die Erwartungen relativ hoch gesteckt, denn der flirrende Streicherklangteppich und die plastisch gesetzten Themeneinsätze sowie eine ausgeklügelte Dynamik bewirkten eine gute musikalische Atmosphäre. Lediglich der Schluss wirkte in sich nicht genau differenziert, doch diese Tendenz setzte sich im Laufe des Abends fort.

Ein Solist, der glücklich macht

Das Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 in C-Dur spielten die OrchestermusikerInnen so, als ob die Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis spurlos an ihnen vorbeigegangen wären. Betulich und ohne innere Spannkraft stand das Orchester dem Solisten Clemens Hagen zur Seite. Dieser agierte jedoch mit einer bewundernswerten innermusikalischen Stringenz. Eine Attraktion bot er mit den Kadenzen, die Haydns Musik ins 21. Jahrhundert transformierten. Dabei ging er von den harmonischen Tonqualitäten aus und ließ die Obertöne tanzen, so dass die Beziehungen und Verhältnisse zwischen den Tönen und Klängen sehr schön zum Ausdruck kamen und eine musikalisch überaus spannende Dialogstruktur zur Musik Haydns aufbauten. Ebenso wirkte die Kadenz im langsamen Satz, in dem die Flageoletts (Obertonklänge) auf einen Zentralton hin gerichtet waren und die Töne und ihre Verwandschaftsverhältnisse zueinander dargestellt wurden. Wohl nur Clemens Hagen kann derart atemberaubende Kadenzen so schlüssig deuten, denn er kennt die Musik des zeitgenössischen Komponisten Georg Friedrich Haas sehr gut und von eben diesem stammen die Kadenzen.

Mittelmäßigkeit ist nicht genug

Dvoraks achte Symphonie stellte für den Dirigenten und das Orchester eine große Anstrengung und Herausforderung dar. Einleitend wirkte eine schöne Klangbalance zwischen den Streichern und Bläsern, in transparent gestaltete Zeitfenster wurden die Hauptthemen plastisch eingeschrieben. Aufmerksamkeit erregte die Gestaltung des Hauptthemas und die Transformation von den Holzbläsern in die Blechbläserpassage, um anschließend den musikalischen Fluss in sich zusammen zu stülpen und Neues heraus zu kristallisieren. Eine ähnliche Wirkung erreichte das Orchester im Finalsatz, in dem abschnittweise eine motorische Eigendynamik entstand, die vielschichtig zum Stillstand gebracht wurde. Im Allegretto kam das slawische Kolorit klangschwelgerisch zur Geltung, wirkungsvoll wurden Motive vergrößert und in sich beschleunigt. Zahlreiche Einzelereignisse prägten diese Werkdeutung und trotzdem hinterließ sie einen eher unbefriedigenden Gesamteindruck, weil keine übergeordnete Antriebsenergie spürbar war. Das SOV musizierte schon auf einem viel höheren Niveau.