Neu in den Kinos: „Teaches of Peaches" Musikdoku des gebürtigen Vorarlbergers Philipp Fussenegger (Foto: Avanti Media Fiction)
Fritz Jurmann · 14. Nov 2013 · Musik

Die Durststrecke ist überwunden - Bregenzer Festspiele schöpfen 2014 wieder aus dem Vollen

Die Bregenzer Festspiele luden donnerstagmittags zur Programmpräsentation für ihre 69. Saison im Jahr 2014 ins Festspielhaus. Vor rund 40 Medienvertretern aus der Region gab sich das Führungsteam sichtlich gelöst und entspannt. Kein Wunder, denn die Festspiele können nach dem deutlich reduzierten Sparprogramm von 2013 im kommenden Sommer wieder aus dem Vollen schöpfen und werden das auch lustvoll tun, am Rande der zentralen Seeproduktion mit spannenden Uraufführungen im Haus und bei KAZ auf der Werkstattbühne, der wiederbelebten kleinen Oper am Kornmarkt sowie neuen Familienprogrammen.

Volle Kassen


Dank 28 ausverkaufter „Zauberflöte“-Vorstellungen in diesem Jahr, von denen keine einzige abgesagt werden musste, sind die Kassen für solche Vorhaben wieder gut gefüllt. Für die Wiederaufnahme hat man erneut 28 Termine fixiert, sogar ein neunundzwanzigster ist angedacht, wenn dieses Unterfangen auch Logistiker und Arbeitsrechtler an den Rand der Verzweiflung bringen würde. Das kommende Motto „Zartbitter“ könnte zwar eine verblassende Reminiszenz an die etwas ausgehungerte letzte Saison sein, ist aber in Wirklichkeit ein Verweis auf den Charakter der Hausoper mit der Uraufführung von „Geschichten aus dem Wiener Wald“ nach Ödön von Horváths Schauspiel.

Die Festspiele wären kein Theaterunternehmen, würden sie nicht stets auch ihre Pressekonferenzen originell inszenieren. Diesmal platzierte man die Journalisten auf der Hauptbühne im Festspielhaus wie Musiker an großen Notenpulten, auf denen wirklich altes Notenmaterial lag, das Führungsteam saß auf einer Sesselreihe, die man auf der Seetribüne abmontiert hatte, und gab unter der wie immer ebenso kompetenten wie lockeren Moderation von Pressesprecher Axel Renner Auskunft. Auf einer Riesen-Leinwand wurden Landschaft und Drachenhunde zugespielt, und dort erschien in einer Schaltung aus Paris auch livehaftig quasi die Hauptperson des nächstjährigen Programms, das Wiener Multitalent KH Gruber, allgemein „Nali“ geheißen, als Dirigent, Komponist, Chansonnier und Entertainer eine buntscheckige, eigenwillige One-Man-Show für sich.

HK Grubers Opern-Uraufführung nun 2014


Im Vorjahr hat er hier bei einem Orchesterkonzert mit seinem Allzeit-Renner „Frankenstein“ einen Vorgeschmack auf seine Musik abgeliefert. Es sollte ein „Appetizer“ sein auf die Uraufführung seiner Auftragskomposition „Geschichten aus dem Wiener Wald“, die als dritte Hausoper in dieser Reihe zunächst für heuer geplant war und nun auf 2014 verschoben wurde. Onkelhaft gemütlich erläutert Nali die Gründe, welcher Aufwand mit einer Oper in seiner Schreibweise verbunden war, hat es dabei aber faustdick hinter den Ohren. Für Gaudium vor und hinter den Kulissen dürfte durch seine Omnipräsenz u. a. mit einem HK-Gruber-Wochenende im nächstjährigen Festspielprogramm ausreichend gesorgt sein.

Es ist musikhistorisch von enormer Bedeutung, dass der Schriftsteller Ödön von Horváth bereits bei der Uraufführung seines Volksstücks 1931 in Berlin die Idee einer Vertonung hatte und dabei an Kurt Weill dachte, den berühmten Komponisten der „Dreigroschenoper“. Tatsächlich hat es aber bis 2014 gedauert, bis aus dem meistgespielten Stück Horváths nun in Co-Produktion mit dem Theater an der Wien eine Oper werden sollte.

In den letzten Zügen


Nali Gruber, der das Stück auch selbst dirigieren wird, gestand, dass er im Moment an der Vertonung der letzten Seiten des Librettos arbeite, der Verlag in London übernimmt laufend seine Vorlagen für die Erstellung des Notenmaterials. Es soll eine durchkomponierte Oper werden, in der für Gruber typisch tonalen und dennoch ungemein innovativen Schreibweise: „Ich möchte, dass meine Musik ohne Zusatzerklärungen durch Musikwissenschafter vom Publikum verstanden wird“, meinte der Komponist nicht ohne Schmunzeln. Und natürlich wird auch der berühmte titelgebende Strauß-Walzer dabei erklingen, allerdings als „kaputter Walzer auf einem verstimmten Klavier …“

Intendant David Pountney, der 2014 seinen Abschied in Bregenz u. a. mit einem eigenen Abschiedskonzert des SOV mit Mozarts „Schauspieldirektor“ zelebrieren wird, ergänzt: „Horváth hat darin am Vorabend der Nazizeit die dunklen Seiten Wiens auf den Punkt gebracht. Es ist ein Lachen, das im Hals erstickt, ein doppelbödiger Seiltanz zwischen Unterhaltung und Untergang, zartbitter eben.“

Zugkraft der „Zauberflöte“ ungebrochen


Mozarts „Zauberflöte“ am See in Pountneys Regie hat schon jetzt ihre ungebrochene Anziehungskraft auch im zweiten Jahr bewiesen. Laut dem Kaufmännischen Direktor Michael Diem wurden erneut 190.000 Karten aufgelegt, der bisher verkaufte Anteil von einem Drittel bedeutet zum jetzigen Zeitpunkt einen absoluten Rekord in der Festspielgeschichte. Dieser starke Zuspruch lässt auch Präsident Hans-Peter Metzler glücklich in die nächste Saison blicken, auch wenn für ihn die generellen Herausforderungen der Finanzierbarkeit eines Festivals mit Qualitätsanspruch bleiben würden.

Erfreulich, dass im neuen Programm auch die beliebte Schiene mit kleineren, operettenhaften Werken am Kornmarkt wieder aufgenommen wurde, sinnvollerweise mit einer satirischen Oper von HK Gruber. „Gloria von Jaxtberg“ ist ein kleines Schwein, das sich in seinen Metzger verliebt. Neu im Programm ist der aus zwei Kurzopern bestehende Programmpunkt „Familienoper“. Die beiden Stücke „Die Nachtigall“ von Igor Strawinsky und „Die unerwartete Schwalbe“, eine Entdeckung des polnisch-jüdischen, in Auschwitz inhaftierten Komponisten Simon Laks als szenische Uraufführung, werden im großen Haus gespielt, Strawinskys Stück mit Puppen durch Mark Down, der auf dem See die Puppenvögel in Szene gesetzt hat.

Starke Vorarlberger Präsenz bei KAZ-Uraufführungen


Im Rahmen der Reihe KAZ, „Kunst aus der Zeit“, kommt es zu einem Wiedersehen mit der aus Deutschland stammenden Regisseurin Nicola Raab, die die Sitcom-Oper und Uraufführung „Das Leben am Rande der Milchstraße“ inszeniert, in Co-Produktion mit dem Festival „Wien modern“, das von dem in Bregenz bekannten und hier anwesenden Matthias Losek geleitet wird. Die zweite KAZ-Uraufführung namens „Trans-Maghreb“ hat eine starke Vorarlberger Komponente. Sie beruht auf der gleichnamigen Erzählung von Hans Platzgumer, der zusammen mit der ORF-Journalistin Ingrid Bertel auch das Libretto erstellte. Die Musik stammt von dem international gefragten Musiker und Komponisten Peter Herbert, dessen Bezug zur arabischen Musik ihm hier zugutekommt. Das Stück spielt nämlich in der Wüste Libyens, wo ein Trupp österreichischer Arbeiter und Ingenieure eine Hochgeschwindigkeitsstrecke für Al Gaddafis Regime errichtet. Als ein Bürgerkrieg ausbricht, sind die Arbeiter plötzlich Teil der Revolution – ebenso wie das Publikum, das sich in dieser „Promenade-Oper“ als Teil des Arbeitslagers fühlen soll.

Orchesterkonzerte der Wiener Symphoniker, u. a. mit Benjamin Brittens berühmten „War Requiem“ zum 100. Gedenkjahr des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges, des Symphonieorchesters Vorarlberg sowie die Reihe „Musik & Poesie“ und weitere Konzerte in der KAZ runden das Programm ab.