Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Gunnar Landsgesell · 14. Nov 2013 · Film

Captain Phillips

Piraten entern einen Frachter vor dem Horn von Afrika, der Kapitän (Tom Hanks) und seine Crew tricksen sie Schritt für Schritt aus. Einer der interessantesten Filme des Jahres, der dem Begriff des Heldentums vor der Matrix US-amerikanischer Macht eine neue Facette hinzufügt.

Piratenangriff vor dem Horn von Afrika: Ein US-amerikanischer Frachtschiffkapitän führt die bewaffneten Angreifer trickreich in die Irre, während seine winzige Crew daran arbeitet, die Piraten in den Eingeweiden des Schiffsgiganten zu zermürben. Am Ende wirken die Afrikaner wieder so wie zu Beginn: als aufgeriebene Fischer, nur diesmal nicht durch Armut, sondern die mächtige, zu Hilfe geeilte US-Navy. Die Amerikaner hingegen, allen voran Captain Phillips (Tom Hanks), stehen als stählerne Sieger da.

Was sich wie eine aufgelegte Heldengeschichte anhört, wirkt unter der Regie von Paul Greengrass deutlich anders. Sachlich, geradezu zurückhaltend inszeniert er dramatische Szenen, in denen eigentlich Schüsse knallen und Blut fließen müsste, während eine orientierungslose Kamera vorgibt, dem Geschehen kaum noch folgen zu können. Budenzauber wie diesen lässt der Brite, der gerne einen Hauch von Realismus in die Formensprache seiner Arbeiten bringt, aber einfach aus. Dabei beginnt „Captain Phillips“ wie eine der vielen Abenteuergeschichten, die ihre Erkennbarkeit immer auch dem Dualismus von Freund und Feind verdanken. Hier, die ratio der Schiffscrew, die in gepflegter Atmosphäre das Schiff klar zum Ablegen macht. Dort, eine aufgebrachte Menge von Afrikanern, aus deren wilden Gesten sich der Beginn eines anderen Projekts entschlüsseln lässt. Piraten heuern irgendwo in Somalia ein paar Fischer für den Angriff auf Captain Philipps Frachter an. Technische Vernunft und Emotion werden zwar als Leitmotive fortgeführt, interessanterweise aber nicht, um die Rollen von Gut und Böse für die Spannung des Films auszubeuten. Schon kurz nachdem die schwer bewaffneten Somalis das Schiff geentert haben, geraten die eben erst geschaffenen Kräfteverhältnisse langsam ins Wanken. Der Kapitän und seine Crew agieren mit einer Selbstsicherheit und Gewandtheit, die sie auch als Angehörige eines reichen Landes und einer ebensolchen Gesellschaft ausweist. Die Bedrohung der Schwarzen aber beginnt in dem Verwirrspiel, das rund um sie aufgebaut wird, zu bröckeln. Schließlich setzt der bis in den letzten Handgriff durchorganisierte Apparat der US-Navy dem Ganzen ein Ende, degradiert den Angriff zu einem lächerlichen Spuk.

Die Art und Weise, wie Greengrass aus diesem Stoff eine Suberzählung der realen Machtverhältnisse auf dieser Welt formt, ist nicht nur beeindruckend, sondern zeugt selbst vom Wissen eines Regisseurs, mit geringeren Mitteln besser ans Ziel zu kommen. „Captain Philipps“ kippt weder in das heroische Fach noch lässt er sich zu einem didaktischen Tonfall hinreißen. Er ruft vielmehr Verzicht (auf dramaturgische Konventionen) und das Bekenntnis zur eigenen Schwäche als größte Stärke aus. Dass dieser Film auf wahren Begebenheiten beruht, wie es immer so schön heißt, ist dabei nur eine Randnotiz. Wer weiß, wie sich dieser Überfall und Captain Phillips vor einigen Jahren wirklich zugetragen hat. Der Film reichert die Realität um eine kluge Version und um einen Schiffskapitän, dem der Sieg am Ende fast schon leid zu tun scheint,  an.