Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Peter Bader · 29. Sep 2011 · Musik

Die Ästhetik des Komplexen

Wolfgang Muthspiels Trio „drumfree“ sorgte am Mittwochabend im Rahmen der Reihe Jazz& am gut besuchten Dornbirner Spielboden mit Nummern der aktuellen selbstbetitelten CD für Begeisterung.

Peter Füßl stellte in seinen einführenden Worten fest, dass Wolfgang Muthspiel nun schon mit seiner siebten Formation hier sei. Dieter Ilg habe erst vor kurzem sein Othello-Projekt präsentiert. Und Andy Scherrer habe schon mit dem Vienna Art Orchestra am Spielboden gastiert. Alte Bekannte also. Und, wie mit „Ibrahim“, der ersten Komposition Mutspiels an diesem Abend, sofort klar wurde: Ein Dreamteam.

Herz und Intellekt werden bedient

Muthspiel kann wohl ohne Umschweife als Klang-Ästhet bezeichnet werden. Als ein schöngeistiger Künstler, der auf der akustischen, semiakustischen und korpuslosen Gitarre mit hoher Präzision mühelos schnelle Linien und komplexe Akkordwechsel realisiert; dies als Solist genauso wie als Begleiter. Sein Ton ist kultiviert und warm, sein Anschlag weich. Sein Spiel kennt keine Hektik. Muthspiel agiert entspannt. Seine facettenreiche Kompositionen haben alles, was gute Musik ausmacht: Sie sind einerseits komplex angelegt, aber gleichzeitig von einer schlichten Schönheit. Der Intellekt wird genauso bedient wie das Herz. Dies, wie es scheint, ohne Kalkül. Und: Muthspiels Nummern grooven. Auch ohne Schlagzeug. Zur Umsetzung seiner Musik braucht er kongeniale Partner, die ihm gleichberechtigt zur Seite stehen. Diese hat er in dem deutschen Kontrabassisten Dieter Ilg und dem Schweizer Saxophonisten Andy Scherrer gefunden.

Interaktion in Reinkultur

Dieter Ilg hatte zwar an diesem Abend einerseits die klassische Aufgabe des Bassisten, das Fundament für die Kompositionen Muthspiels zu liefern. Andererseits ging sein vielschichtiges Spiel weit über diese Aufgabe hinaus. Mit seinem virtuosen Spiel trat er immer wieder in einen Dialog mit Muthspiel oder Scherrer. Motive und Themen wurden von den Musikern wechselweise aufgegriffen; dies ließ einen den Begriff „Kontrapunkt“ assoziieren. Denn in den zwei hochspannenden Sets wurde Interaktion in Reinkultur vorgeführt. Dies mit Titeln wie „Ralphone“, „Double Blues“, „Tribal Games“, „Looking for Elba“, „Raumzeit“ oder „Jackson's Pocket“. Letztere Nummer beinhaltete übrigens eine Anspielung auf Michael Jacksons „Billy Jean“. Aber auch als Solist überzeugte Ilg. Ein Solist, der von Muthspiel kompetent begleitet wurde. Mit seinem feinfühligen Comping trat Muthspiel dabei aber keineswegs in den Hintergrund. Er zeigte auch hier Präsenz. Ohne sich aufzudrängen. So konnte er auch schweigen, um seinen Mitmusikern noch mehr Raum zur Entfaltung zu geben. Als Begleiter ein Ass, hatte Muthspiel aber auch in vielen Soli Gelegenheit, sein musikalisches Können zu präsentieren. Dafür setzte er sein gutbestücktes Effekt-Board ein und trat etwa durch live eingespielte Loops auch in Dialog mit sich selbst.

Andy Scherrer überzeugte als Melodiker genauso wie als virtuoser Solist. Schwieg aber über weite Strecken. Denn auch Pausen sind musikalische Zeit. Alle drei Musiker zeigten bei Unisono-Stellen perfektes Zusammenspiel.

Eine Zugabe: „Peace“ von Horace Silver.