Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 28. Feb 2010 · Musik

Der erste Abend des "Tribute to Peter Herbert" zeigte ein Panorama der Vielseitigkeit des Kontrabassisten

Die Bludenzer Jazztage 2010 stehen ganz im Zeichen von Peter Herbert, der mangels des 29. Februars, am 1. März gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Wolfgang seinen 50. Geburtstag feiert. An drei Abenden ist der Kontrabassist als Lehrer, Musiker, Improvisator und Komponist zu erleben. Die Eröffnung des Festivals, das die Bludenz Kultur GmbH gemeinsam mit der Bregenzer Kulturabteilung veranstaltet, fand im Seefoyer des Festspielhauses in Bregenz statt, wo im schönen Ambiente ein außergewöhnliches Konzert geboten wurde. StudentInnen des Landeskonservatoriums präsentierten die Musik eines Workshops mit Peter Herbert und Musiker des Jazzorchesters Vorarlberg spielten die Uraufführung von „Skinny legs. Überdies wurde Gerhard Klockers „portrait in music“ gezeigt.

Im Rahmen eines Improvisationsworkshops am Vorarlberger Landeskonservatorium arbeitete Peter Herbert mit StudentInnen. Das Resultat nach etwa sechs Stunden gemeinsamen Probens überraschte beim ersten Höreindruck positiv, denn reizvolle und überraschende Wendungen sowie das hohe Niveau einiger SolistInnen bewegten die knapp einstündige Session. Dabei wurde nachvollziehbar, wie Peter Herbert seine StudentInnen anregt, sich Inspirationquellen für Improvisationen zu suchen und zu finden. Hier lautete die Vorgabe, einen Buchstaben als Ideenquelle für ein Riff oder ein rhythmisches Pattern zu verwenden. Titelgebend wurde die Improvisation „Alphabet city“.

Fade in und fade out

Langsam entwickelte sich die Musik und ebenso verebbte sie nach dem musikalisch Gesagten wieder in der Stille, dies war ein passender Rahmen für das dazwischen liegende Panoptikum, das die MusikerInnen und eine Sängerin imaginierten. Poetisch erzählend waren einige Abschnitte, aber auch mit beziehungsreichen Klängen geformte Bilder wurden entwickelt, beispielsweise Wind und Wellen und Zischen. Dazwischen zeigten die WorkshopteilnehmerInnen beeindruckende solistische Fähigkeiten und besaßen teilweise auch die Muße, den musikalischen Fluss einfach laufen zu lassen.

Der Weg ist das Ziel

Einzelne Abschnitte wurden in kleinen Formationen improvisiert und hier gelangen bemerkenswerte Kommunikationsmuster untereinander. Freilich kamen auch der Humor und die Ironie nicht zu kurz. Allmählich kristallisierte sich die geschickt angelegte Form des spontan entwickelten Stückes heraus. als spannend erlebten die ZuhörerInnen auch die musikalische Herkunft einzelner Solisten, teils aus der Volksmusik, aus der Klassik und einige wirkten schon ziemlich jazzerprobt. Freilich ist bei jedem Workshop der Weg das Ziel, und die StudentInnen haben sicher sehr viele Inputs erhalten.

Filmporträt

In den Jahren 1998/1999 schuf Gerhard Klocker das filmische Porträt „Peter Herbert - a portrait in music“, das in New York und New Mexico gedreht wurde. Das Wiedersehen bot gute Unterhaltung und amüsierte viele, denn inzwischen ist der Film ein künstlerisch reizvolles Dokument einer musikalischen Vergangenheit von Peter Herbert.

Uraufführung von „Skinny legs“

Ein spannendes Erlebnis wurde im dritten Teil des Abends geboten. Martin Franz (Saxophon), Martin Eberle (Trompete), Benny Omerzell (Klavier) Christian Eberle (Schlagzeug), Kenji Herbert (Gitarre) und Peter Herbert (Kontrabass) spielten die Uraufführung von „Skinny legs“, das im Auftrag von Bludenz Kultur entstanden ist und den Musikern auf den Leib geschrieben wurde. Inspiriert wurde Peter Herbert von Tom Robbins Roman „Skinny legs and all“. Den Protagonisten der Geschichte – „Can o’Beans“, Dirty Sock“, „Spoon“, „Painted Stick“, Conch Shell“, „Boomer“ und „Roland Abu Hadee“ – hauchte der Komponist musikalisches Leben ein, indem er ihre Charaktere kompositorisch darstellte und interpretierte. Das Hörerlebnis war, obwohl ich den Roman nicht gelesen habe, überaus spannend und vielschichtig.

Vielseitige Musiker

Mit einem transparenten Beat führte die Trompete im ersten Teil den melodischen Hauptgedanken ein, der von Anfang an einen enormen Drive entwickelte. Alle Musiker fühlten sich sichtlich wohl in ihren Rollen, dies wurde vor allem auch dadurch unterstrichen, dass sie gut aufeinander reagierten. Unisono geführte Linien verliehen der Musik Ausdrucksstärke, nachhaltig wirkten die instrumentalen Schläge. Im zweiten Abschnitt stellte wieder die Trompete eine melodische Linie vor, die vom Klavier verziert wurde, um dann an den Kontrabass weiter zu wandern. Martin Eberle transformierte das Ausgangsthema improvisatorisch virtuos, überhaupt funktionierte er vor allem in dieser Passage als Triebfeder. Stark wirkte die Achse zwischen Schlagwerk und Klavier im nachfolgenden Abschnitt, in dem eine energische Floskel eine perkussive Sprengkraft entwickelte. Die Pausen wurden ausgekostet, um einem anderen Gedankengang Platz zu schaffen.

Gut ausgelotete Proportionen

Die unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Sätze lotete Peter Herbert gut aus, sodass Ruhe und Entspannung neben bestimmenden und resoluten Abschnitten ausbalanciert erklangen und dadurch die Aufmerksamkeit immer wieder neu bündelten und auf das Wesentliche fokussierten. Dies kam besonders im Wechselspiel zwischen „Painted Stick“ und „Conch Shell“ zur Geltung. Hier zeichneten die Bläser Melodiefragmente vor, die vom Klavier, der Gitarre und dem Kontrabass abschattiert beantwortet wurden und in einem fein verwobenen Geflecht mündeten. So entwickelte sich eine enorme Sogwirkung, die schließlich in ein – in meinem Empfinden – humorvolles Lamento geführt wurde. Die Schlusspassage „Dirty Socks“ dieser bemerkenswerten Komposition lebte von einem Impuls gebenden Hauptgedanken, der vom Schlagzeug und vom Klavier immer wieder bestätigt wurde. In einer aufmerksamen Korrespondenz zueinander gliederten die Musiker das Thema auseinander und fügten es in einem überraschend gestalteten Schluss zusammen.