Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 18. Jun 2013 · Musik

Den musikalischen Gedankengängen staunend folgen – Martin Fröst, Roland Pöntinen und Brenda Rae boten bei der Schubertiade bisher eher unübliche Musik und einen Dauerbrenner

Der Klarinettist Martin Fröst ist dem Vorarlberger Konzertpublikum seit einigen Jahren als Musiker mit einer atemberaubenden Technik und einer individuellen Sicht auf die Musik bekannt. Im Rahmen der Schubertiade konzertierte er mit dem Pianisten Roland Pöntinen und der Sopranistin Brenda Rae. Vor allem die erste Konzerthälfte mit Werken von Claude Debussy, Ernest Chausson und Francis Poulenc war ein mitreißendes Erlebnis. Eine interessante inhaltliche Klammer bot das weithin unbekannte „Hirtenlied“ von Giacomo Meyerbeer für Sopran, Klarinette und Klavier in Verbindung mit Schuberts berühmten „Hirt auf dem Felsen (D965). Brenda Rae lenkte bei ihrem Schubertiadedebüt die Aufmerksamkeit auf sich. Mit großen melodischen Gesten formte sie die Gesangslinien aus.

Auch im Angelika-Kauffmann-Saal war es wieder eine Freude, Martin Fröst bei seinem Spiel zuzuhören, denn er modellierte auf seinem Instrument eine unglaubliche Vielfalt an nuancierten Klanggebungen und charakteristischen Tonfärbungen. Bewundernswert setzte er die unterschiedlichen Tonregister in Szene. Doch nicht nur beim Zuhören kam Bewunderung auf, sondern auch durch seine ausgeprägte Körpersprache wurden die musikalischen Sinneinheiten in der Musik unmittelbar nachvollziehbar. Noch vor einigen Jahren hatte Martin Fröst auch extravagante Züge an sich. Doch bei diesem Auftritt wirkte er ausgeglichen, sympathisch und sportlich.

Den Nerv getroffen


Das Programm der ersten Konzerthälfte mit Claude Debussys „Première Rhapsodie“, dem Andante et Allegro von Ernest Chausson sowie Francis Poulencs Sonate in B-Dur war hervorragend zusammengestellt und in der Gesamtschau auf das Schubertiaderepertoire eine Bereicherung. Ausgeprägte Dialoge zwischen der Klarinette und dem Klavier zeichneten die Werkdeutungen aus. Ein tänzerischer Duktus und gut durchdachte Wechselverhältnisse zwischen den melodischen Linienführungen der Duopartner sowie straff gespannte Phrasierungsbögen waren Angelpunkte der mitreißenden Interpretationen.

Herausragender Klavierpartner


Auf den Klavierpartner Roland Pöntinen konnte sich der Klarinettist bei jeder kleinsten musikalischen Wendung verlassen. Die beiden gleichberechtigten Parts spielten die Musiker in einem großen Einverständnis und formten die entwickelnden musikalischen Linien organisch abgestimmt aus.

Brahms als Zugeständnis?


Johannes Brahms’ Sonate für Klarinette und Klavier, op. 120/1 fügte sich meinem Empfinden nach nicht recht in das Programm dieses Konzertes ein. Selbstverständlich musizierten Martin Fröst und Roland Pöntinen auf höchstem Niveau, trotzdem fehlte dieser Werkdeutung genau jener Esprit, der mich in den anderen Darbietungen immer wieder auf’s Neue fesselte.

Lied oder musikdramatische Szene?


Eine reizvolle inhaltliche Klammer bildeten Meyerbeers „Hirtenlied“ und Schuberts „Hirt auf dem Felsen“ für Singstimme, Klarinette und Klavier. Die pastoralen Szenen und die romantischen Naturbetrachtungen zeichneten Martin Fröst und Roland Pöntinen eindrücklich nach. So öffneten sie einen musikalischen Raum, in dem das Empfinden des Protagonisten erlebbar gemacht wurde.

Die Sopranistin Brenda Rae besitzt eine ausdrucksstarke Sopranstimme mit einem warmen Timbre. Es war wohl der Nervosität zuzuschreiben, dass sie Meyerbeers Ballade mit allzu viel Vibrato begann und die Spitzentönen etwas grell herausstachen. Wenn man Schuberts „Hirt auf dem Felsen“ weniger als Lied beziehungsweise Ballade versteht, sondern mehr als musikdramatische Szene sieht, wirkte der Aussagegehalt der Sopranistin überzeugend, denn Brenda Rae deutete den Gesangspart der Lieder eher als Arien aus. So gesehen wirkte sie vor allem in der Arie der Helene „Ich schleiche bang und still herum“ aus Schuberts Singspiel „Die Verschworenen“ authentisch.