Neu in den Kinos: „The Substance“ (Foto: Mubi)
Peter Füssl · 17. Jun 2013 · CD-Tipp

Ólafur Arnalds: For Now I Am Winter

Der 26-jährige Isländer Ólafur Arnalds ist ein musikalisch höchst talentierter Grenzensprenger, der sich souverän im Spannungsfeld zwischen Post-Klassik (er hasst den Begriff Neo-Klassik), Minimal Music, Indie-Pop und Electronic bewegt.

Seine Kompositionen sind durch eine mitreißende Dynamik geprägt – was mit leisen Klaviertupfern seinen stimmungsvollen Anfang nimmt, kann durchaus im bombastischen Donner eines dreißigköpfigen Ensembles enden, das sich übrigens aus Mitgliedern des Isländischen Symphonie Orchesters zusammensetzt. Man kann sich gut vorstellen, dass Arnalds auch Ballettmusik, etwa für Wayne McGregors Random/Dance, oder Soundtracks für Hollywood schreibt, denn wenn man sich voll und ganz auf seine emotional höchst wirksamen Kompositionen einlässt, evozieren diese schnell einmal ihre visuellen Entsprechungen in den Köpfen der Zuhörer. Jenseits dieser mitunter durch kräftige Electronic-Beats aufgebrochenen melancholischen Kammermusik-Traumreisen, die trotz hörbarer Freude am Experiment nie wirklich die Welt des Schönklanges verlassen und auch Sigur Rós- oder Ludovico Einaudi-Fans ansprechen dürften, ist Pianist/Keyboarder Ólafur Arnalds auch als Drummer mit den Hardcore Bands „Fighting Shit“ und „Celestine“, als Gitarrist bei der Post-Punk-Band „My Summer As A Salvation Soldier“ oder mit Minimal-Techno-Projekten unterwegs. Auf seinem Major-Label-Debut ist von seiner härteren Seite aber nichts zu spüren. Stattdessen hat Arnalds sein Spektrum um einen Vokalpart erweitert, den er aber „nur“ wie ein weiteres Instrument einsetzt, und „Agent Fresco“-Sänger Arnór Dan sorgt auf einigen Stücken mit seiner elegischen Kopfstimme für durchaus reizvolle Erweiterungen der Arnalds’schen Klangpalette. Auch wenn „Winter“ im Titel steht – ein melancholisch verträumtes Meisterwerk für alle Jahreszeiten!
(Mercury Classics/Universal)