Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Fritz Jurmann · 16. Jul 2013 · Musik

Den „Geist von Sankt Corneli“ beschworen – Drei Säulen des Vorarlberger Konzertlebens im Triumvirat vereint: Christa, Engel, Binder

Ein historisches Kleinod inmitten unberührter Landschaft, klug disponierte Konzertprogramme, beschränkt auf wenige Termine über den Sommer: Das 1178 erstmals urkundlich erwähnte Wallfahrtskirchlein Sankt Corneli in Feldkirch-Tosters mit seiner wunderbaren Akustik ist einer der stimmigsten Konzertplätze des Landes. Manche meinen auch, es sei ein besonderer Kraftplatz voll magischer Ruhe, wenn man nur an die tausendjährige Eibe denkt, ein einzigartiges Naturdenkmal neben der Kirche. Vergangenen Sonntag startete dort die neue vierteilige Konzertreihe dieses Sommers.

Am Beginn stand Günther Fetz


1995 hat der Organist und Cembalist Günther Fetz diesen Ort erstmals zum Schauplatz einer intimen kleinen Konzertreihe gemacht und diese zwölf Jahre lang auch liebevoll als Kurator betreut, organisatorisch unterstützt durch ein Team der Pfarre Tosters, das bis heute aktiv an der Organisation mitwirkt. Seit 2008 wird die Reihe quasi als Ableger des Feldkircher Konzertzyklus „Musik in der Pforte“ fortgeführt.

Die beiden dortigen Kuratoren, der Bratschist Klaus Christa und der Blockflötist Thomas Engel, sind wie Feuer und Wasser oder wie Sonne und Mond. Jeder von ihnen pflegt seinen eigenen Bereich, kocht sein eigenes Süppchen. Doch gemeinsam sind die beiden bisher noch niemals aufgetreten, weil jeder mit seinen Ensembles jeweils einen bestimmten Stilbereich abdeckt und dem anderen nicht in die Quere kommen will: Christa mit seinem „epos:quartett“ die Klassik und Romantik bis zur Neuzeit, Engel mit seinem „conSequenza“ Barock und Renaissance.

Erstmals gemeinsam


Es blieb der Konzertreihe von Sankt Corneli vorbehalten, diese beiden Musiker erstmals am vergangenen Sonntag in einem Konzertprogramm zusammenzubringen. Dazu kam Helmut Binder, einer der profiliertesten Organisten des Landes, seit 30 Jahren in Bregenz Herz-Jesu und seit kurzem auch als Professor am Landeskonservatorium tätig, und auch das war eine Premiere. In Summe also zeigten sich hier bewährte Säulen des Vorarlberger Konzertlebens zum ersten Mal als Triumvirat vereint, beschworen gemeinsam den legendären „Geist von Sankt Corneli“.

Unter dem Titel „Momente“ nimmt das Trio seine aufmerksame Zuhörerschaft mit auf eine eineinhalbstündige Zeitreise, die über ein halbes Jahrtausend fast 700 Jahre zurück bis ins dunkle Mittelalter führt. Ungewohnte klangliche Eindrücke aus dem 14. Jahrhundert entfalten ihren archaischen Zauber, sobald man sich eingehört hat. Dazu helfen auch jene zwar im lockeren Plauderton vorgetragenen, im Kern aber musikwissenschaftlich fundierten Moderationen, die man von Klaus Christa und Thomas Engel seit vielen Jahren bei den „Pforte“-Konzerten schätzen gelernt hat.

Archaischer Zauber mittelalterlicher Musik


In strenger Klarheit verbinden sich in einer Ballade aus dem „Squarcialupi Codex“ in Florenz um 1420 die Linien von Blockflöte und Viola mit den Flötenstimmen der 1994 erbauten Pflüger-Orgel auf der Empore, die man selten in Konzerten zu hören bekommt. In seiner kargen Einstimmigkeit faszinierend das Lamento und ein Spielmannstanz eines Anonymus aus dem 14. Jahrhundert. Zur Sache geht es dann für das Duo Christa und Engel mit zwei brillant gemeisterten Canons in kunstvoller Polyphonie aus Vater Bachs „Kunst der Fuge“, denen zwei Orgelfugen seines ältesten und aufmüpfigen Sohnes Wilhelm Friedmann gegenübergestellt werden.

Als reizvolle Programmidee entpuppen sich drei Beispiele der nur mündlich überlieferten „Sephardischen Gesänge“ aus dem 15./16. Jahrhundert, als Duos von Blockflöte und Viola wieder im Altarraum dargeboten. Diese schlichten, von ostinaten Pizzicati oder Bordunklängen begleiteten Weisen sprechen durch ihren emotionalen Gehalt unmittelbar an. Helmut Binder zeigt sich im Verlauf des Konzertes einmal mehr als Meister der zeitgemäßen Orgel-Improvisation, schlägt in klanglich fantasievollen Variationen über Samuel Scheidts „Der feine Reiter“ eine Brücke in unsere Zeit. Zur Einstimmung hat er zwei Barockfugen von Johann Pachelbel sehr sauber und klar artikuliert an den Beginn des Konzertes gesetzt.

Übermütige Tanzsuite, prächtiges Trio


Angelpunkte des Programms sind Triobesetzungen, die zum Teil vor Erfindung der Bratsche in der heutigen Form entstanden sind. So mussten die original komponierten Stimmen der Tenorgambe auf die Viola übertragen werden. Diese Werke spannen sich von einer übermütigen frühbarocken Tanzsuite des Engländers Matthew Locke über Frescobaldis süffige „Canzona nona detta La Gualterina“ bis zu einem prächtigen, 1740 im Hochbarock komponierten Trio VII in F-Dur aus den „Essercizii musici“ von Georg Philipp Telemann. Von ihm weiß heute wohl jeder, dass es dabei nicht um das Pseudonym eines Fernsehkritikers handelt, sondern um den mit 2500 Werken produktivsten deutschen Barockmeister. Seine unverkennbare Handschrift wird auch bei diesem finalen Werk deutlich, das voller Spielfreude und Eleganz zum Klingen gebracht wird.

Fein aufeinander abgestimmt, stilistisch lupenrein und technisch überlegen entwickeln die Musiker von Beginn an jenes besondere Flair intimen Musizierens, wie es so gut in dieses Kirchlein Sankt Corneli passt und hier auch ideal zur Geltung kommt. Sehr zur Freude des Publikums, das neben diesen musikalischen Kostbarkeiten auch den familiären Charakter der Konzerte genießt. Dazu gehört auch die anschließende Apéro-Plauderstunde mit den Künstlern auf dem Platz vor der Kirche, wo gegen eine kleine Spende Wein und Brot gereicht werden.

 

Nächstes Konzert in Sankt Corneli:

Sonntag, 25. August, 17.00 Uhr – „Zu Gast im Café Zimmermann“, mit Musik von J. S. Bach und G. P. Telemann (Thomas Engel, Blockflöte; Johannes Hämmerle, Cembalo)