Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 09. Nov 2015 · Musik

Dem aktuellen Kunstschaffen Raum geben – Das ORF Funkhaus stellte bei „Texte und Töne“ zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler in den Mittelpunkt

Das sonnige Wetter am Festival-Wochenende lud zwar zu Aktivitäten im Freien ein, trotzdem folgten zahlreiche Literatur- und Musikinteressierte der Einladung ins ORF-Funkhaus nach Dornbirn zum Festival „Texte und Töne“, das in Kooperation des Ensemble Plus, des Symphonieorchesters Vorarlberg und Literatur Vorarlberg bereits zum dritten Mal stattgefunden hat. Sowohl neue Kammermusik als auch Orchesterwerke, unter anderem von den Vorarlberger Komponisten Peter Herbert, Wolfgang Lindner, David Helbock, Gerald Futscher und Murat Üstün waren in guten Interpretationen zu hören. Kombiniert wurde die Musik mit Texten von Wolfgang Mörth, Mohammed Ali Bas, Christoph Linher, Max Lang und Sarah Rinderer. Begeisterung löste der Vibraphonist Christoph Sietzen aus und darüber hinaus wurde das vielfältige Programm bereichert von einem Fagottquartett des Landeskonservatoriums.

Eine Ausgangsidee des Festivals „Texte und Töne“ war die direkte Verbindung zwischen Wort und Musik. Deshalb traten Peter Herbert und Wolfgang Mörth, Mohammed Ali Bas und Murat Üstün sowie David Helbock und Christoph Linher als Duopartner miteinander auf. Während die einen bereits seit Jahrzehnten zusammen auf der Bühne wirken, besprachen sich die anderen projektbezogen oder traten spontan miteinander in einen Dialog. Murat Üstün und Mohammed Ali Bas widmeten sich unter dem Leitgedanken „Hängebrücke“ der Problematik der Immigration. In einem guten Einverständnis sorgten Wolfgang Mörth und Peter Herbert mit ihrer Performance für eine amüsant kurzweilige Unterhaltung. David Helbock und Christoph Linher trafen sich zu später Stunde, um spontan miteinander zu agieren, hinterließen jedoch mit ihrer Performance einen eher unverbindlichen Eindruck.

Das Fagott im Fokus


Eine weiterer Überlegung der diesjährigen „Texte und Töne“ war das Augenmerk auf tiefe Instrumente. Dazu hatte Peter Herbert das Auftragswerk „bab – built a bassoon“ komponiert, das die Fagottistin Katharina Felder und er selbst zur Uraufführung brachten. Der Weg des Zusammenbaues des Instrumentes war zugleich das Ziel und hier fanden sich auch die interessantesten Passagen, wenn perkussive Klappengeräusche Erwartungshaltungen weckten, das Fagott sich wie ein Nebelhorn oder Digderidoo gebärdete und in weiterer Folge feinsinnig eine klangliche Annäherungen zum Kontrabass suchte.

Um dem Fagott einen breiten Raum zu geben, musizierten auch Fagottstudenten des Landeskonservatoriums aus der Klasse von Allen Smith. Unter anderem war die österreichische Erstaufführung des Werkes  „Dance of the polarbears“ von Gernot Wolfgang zu hören. Aline Maurer, Sebastian Metzler, Philip Tratter und Allen Smith spielten sehr gut aufeinander abgestimmt und gestalteten die Rhythmus betonten motivischen Figurationen in abwechselnden Rollen prägnant und mit Drive aus.

Den zweiten Teil einer Trilogie bildet das Werk „Masks of truth“ von David Helbock, das Peter Herbert am Kontrabass, Matthew Smith am Subkontrafagott und David Helbock am Klavier zur Uraufführung brachten. Im ersten Teil entfalteten die satt und parallel geführten Linien kraftvolle energetische Felder. Jedoch tauchte der musikalische Fluss im mittleren Abschnitt in einen plakativen Sound à la Keith Jarrett ab, aus dem erst eine Solopassage von Peter Herbert wieder herausführte. Faszinierend fabrizierte er auf dem Korpus des Kontrabasses unterschiedlichste Tonqualitäten und setzte seine Spezialität der Teilung der Saitenlängen ein, sodass die melodischen Gedanken mit Akkorden in hohen Lagen begleitet erklangen. Tänzerisch endete die Komposition. Nach der erfolgreichen Präsentation des ersten Teiles der Trilogie - „Night Shift“ - im vergangenen Jahr, erfüllte der nun uraufgeführte Mittelteil mit dem vielversprechenden Titel „Masks of truth“ die Erwartungen nicht ganz.

Eine abwechslungsreiche und klangsinnliche Unterhaltung bot die österreichische Erstaufführung des Trios „Moskitos“ für E-Bratsche, Violine und Bratsche von Murat Üstün. Andreas Ticozzi, Monika Tarcsey und Guy Speyer spielten das unterhaltsame Werk, das vor allem von den Rollenverteilungen zwischen traditionellen Instrumenten und den klanglichen Spezifika der E-Bratsche lebte.

Gerald Futscher hat das Lied "Quand la nuit se découpe" von Michel Houellebecq für Sopran, Harmonium, Klavier und Zuspielung instrumentiert und mit dieser außergewöhnlichen Besetzung den Nerv getroffen. Die ornamental geführte Vokallinie der Sopranistin Monika Lichtenegger sowie die fein verästelteten Motive im Harmonium (Gerald Futscher) und die akzentuierend nachklingenden Akkordsäulen des Klaviers (Martin Gallez) mitsamt den Zuspielungen ergaben einen klangsinnlichen musikalischen Fluss, der dem Textinhalt viel Raum zur Entfaltung bot. Lediglich die Schlusspassage mit den gar zu illustrativen Anspielungen auf den Text wirkten zu plakativ und relativierten den positiven Gesamteindruck.

Einen Höhepunkt des Festivals bot das Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Ernest Hoetzl mit den beiden Solisten Peter Herbert am Kontrabass und Christoph Sietzen am Vibraphon. Zuerst spielte Peter Herbert sein Kontrabasskonzert „Climbing“. Dabei setzte er das Orchester als großen Perkussionsapparat ein und erhielt dadurch einen flexiblen Unterbau für die Melodie tragende Solostimme. Den großen Spielraum nutzte Peter Herbert als Solist mit anregenden und Energie freisetzenden Passagen mitteilsam aus.

Sehr gut aufgenommen wurde die Interpretation des Konzertes für Vibraphon und Orchester, „Rodeo“, von Wolfgang Lindner. Dabei erfand der herausragende Solist Christoph Sietzen den Solopart für sich neu und belebte mit seiner inspirierenden und virtuosen Spielart das Werk. Iris Szeghys Komposition „Ad parnassum“ wurde inspiriert von Werken des bildenden Künstlers Paul Klee. Die Orchesterminiaturen wirkten nuanciert, teilweise jedoch auch etwas diffus auskomponiert. An die Musiker des Symphonieorchesters stellte die Komposition enorme Anforderungen. Ernest Hoetzl baute sympathisch einen Kontakt zum Publikum auf, führte kurzweilige Interviews mit den anwesenden Komponisten und trug auf seine Weise viel zur angenehm entspannten Atmosphäre bei.

Auch die diesjährige Ausgabe der „Texte und Töne“ ermöglichte einen vielseitigen Einblick in das aktuelle literarische und kompositorische Schaffen in Vorarlberg. Dass es Interesse gibt, stellten die konzentriert Zuhörenden unter Beweis. Viele blieben über die gesamte Länge des eineinhalb Tage dauernden Festivals. Auch die Einladungen an die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Schillerstraße in Feldkirch sowie die Einbeziehung Studierender war dem Publikumszuspruch dienlich. Die besondere Qualität des Festivals lag darin, dass alle Komponisten und Schriftsteller und zahlreiche Musikerinnen und Musiker anwesend waren und in Gesprächen direkte Einblicke in ihr künstlerisches Schaffen gewährten.