Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 09. Nov 2015 · CD-Tipp

Michael Wollny: Nachtfahrten

Unternehmen Sie mit Frederick von Metzengerstein einen kleinen Ausritt auf seinem mysteriösen Teufelsgaul, suchen Sie mit Marion Crane im strömenden Regen Unterschlupf im Motel und essen Sie mit Norman Bates zu Abend, begleiten Sie FBI-Agent Dale Cooper auf einem nächtlichen Erkundungsgang durch Twin Peaks – herzlich willkommen in der Welt von Michael Wollnys „Nachtfahrten“!

Die legendäre David Lynch-Serie, Hitchcocks Kult-Klassiker „Psycho“ oder Edgar Allan Poes berühmte Kurzgeschichte sind vielleicht die drei bekanntesten Inspirationsquellen für die wunderschönen Gruselgeschichten, die der international erfolgsgekrönte Pianist auf seinem wieder einmal neue Wege beschreitenden Konzeptalbum präsentiert. Dabei geht es nicht um den großen Horror, den dramatischen Übergau, sondern – unvergleichlich spannender – um jenen Moment, in dem Erwartetes in Unerwartetes, Bekanntes in Mysteriöses, Vertrautes in Unheimliches kippt. Das ist von einer beklemmenden Schönheit, der man sich nicht entziehen kann – Schwarze Romantik at its best! Der neue Schweizer Bassist Christian Weber fügt sich sehr versiert in die musikalische Welt der beiden Langzeitweggefährten Wollny und Eric Schaefer ein, die sich wieder einmal großartiges Kreativ-Ping-Pong-Spiel im Weltklasseformat liefern. Was sich der Drummer auf den 14 Stücken alles so einfallen lässt, um die von Wollny in viel Moll und – wie er es nennt – „vergifteten Dur-Akkorden“ hingezauberten Stimmungsbilder zu verstärken, ist eine perkussionistische Meisterleistung. Als „Neon Nocturnes“ bezeichnet der Pianist diese sehr reduzierten, aber umso intensiveren emotional aufgeladenen Charakterstücke, in denen es auch im Stockfinstern doch noch kraftvoll leuchtet. Der für den Zuhörer ausgesprochen wohlige Schauer findet seinen Höhepunkt ganz zum Schluss, wenn Wollny bei 40 Schlägen pro Minute seine „Nachtfahrten“ zum atmosphärisch ungemein dichten Ende führt. Einfach genial!

(ACT)