Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 12. Aug 2012 · Musik

Das Monster und die Romantische – das Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Gérard Korsten musizierte enthusiastisch

Den Schlusspunkt der diesjährigen Orchesterkonzerte im Rahmen der Bregenzer Festspiele setzte das Symphonieorchester Vorarlberg unter seinem Chefdirigenten Gérard Korsten. Vor allem die Interpretationen von Bruckners vierter Symphonie entfalteten eine fulminante Kraft. Vom diesjährigen „Composer in Residence“, Detlev Glanert, präsentierte das SOV das Orchesterwerk „Theatrum bestiarum“. Geboten wurde ein farbenreiches musikalisches Spektakel, das vor allem die Klangpracht des Orchesters zum Leuchten brachte.

Detlev Glanerts „Theatrum bestiarum“ trägt den Untertitel „Lieder und Tänze für großes Orchester“, Dmitri Schostakowitsch ist der Widmungsträger. Allein diese Angaben bieten Anhaltspunkte über die Ausgangsüberlegungen des Komponisten. Den üblichen Orchesterapparat mit viel Schlagwerk bereichern eine Orgel, Celesta und Klavier.

Erwartungshaltung

So ausgerüstet begann das Werk spannend. Mit einem gleißenden Klang, Generalpausen und Linienfragmenten im Kontrafagott wurde ein monströser Klangraum geöffnet. Darin tummelten sich zahlreiche melodische Floskeln und schufen eine große Erwartungshaltung. Allmählich nahmen die musikalischen Floskeln tanzartige Gestalten an, die die Aufmerksamkeit der Zuhörenden in unterschiedliche Richtungen führten. Täuschungen und Spiegelungen sowie Verdichtungen und gewaltige Steigerungen bewegten den musikalischen Fluss.

Einen Höhepunkt bildete dabei der etwas abrupte Einsatz der Orgel. Als Nachhall beziehungsweise Obertonspektrum fungierte das Orchester, unter anderem entstanden dabei wirkungsvolle Schwebungen. Weiterhin führte die Musik in weitläufige Soli und idyllische Gefilde, die an Mahler denken ließen. Das Spektrum der melodischen Einfälle war sehr weit gefasst und beinhaltete meiner Wahrnehmung nach auch Längen. Erst zum Schluss hin bündelten sich die musikalischen Gedanken wieder stringent.

Konzert für Orchester

Detlev Glanert ist ein Meister der melodischen Gestaltbildung, er schafft Irritationen und spielt mit Erwartungshaltungen, mit Bekanntem und Gefundenem sowie mit Erfundenem. Sein Sinn für die mannigfaltigen Farben, die ihm ein derart großes Orchester bietet, setzte er in seinem „Theatrum bestiarum“ hervorragend in Szene.

Das SOV interpretierte das anspruchsvolle Werk gut, wenngleich einige Unsicherheiten die gewünschte Schärfe abschnittweise etwas verschleierten. Insgesamt überwog der positive Gesamteindruck und die OrchestermusikerInnen beeindruckten durch herausragende Soli und einen in sich abgerundeten Gesamtklang.

Einfallslose Programmgestaltung

Warum neben das Werk von Detlev Glanert eine Brucknersymphonie gestellt wurde – zumal bereits im ersten Orchesterkonzert bereits Glanert und Bruckner zusammengespannt worden waren –, ist unverständlich. Naheliegend und aufschlussreich wäre meiner Meinung nach ein Werk von Dmitri Schostakowitsch gewesen.

Enthusiastisch gesteigert

Allerdings musizierten das SOV und Gerard Korsten die Symphonie Nr. 4 von Anton Bruckner, die „Romantische“, beseelt und mit Enthusiasmus. Alle Stimmgruppen für sich spielten hervorragend und mit Elan, so dass die wirkungsvollen Steigerungen und die dazwischen positionierten schwärmerischen Passagen in einem gut ausgeloteten Wechselspiel zusammenwirkten. Vor allem die archaische Kraft der Quint-, Quart- und Oktavschichtungen in den Rufmotiven verströmten Glanz, Pathos und mitunter einen sakralen Charakter. Dem extrovertierten Eröffnungssatz stellten Gérard Korsten und das SOV ein eher introvertiertes, ruhiges Andante zur Seite, in dem auch ein schreitender (Trauer)marsch zelebriert wurde. Naturhafte Schilderungen, tänzerische Passagen und raumperspektivische musikalische Steigerungen, die den Eindruck des Herannahens wirkungsvoll nachzeichneten, verliehen dem dritten Satz Profil. Inhaltliche Klammern zu den vorangegangenen Sätzen boten im Finale Zusammenhalt und waren Grundlage für eine beeindruckende Apotheose. Diese verfehlte ihre Wirkung bei den Zuhörenden im Festspielhaus nicht. Begeistert applaudierte das Publikum.