Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 12. Aug 2012 · Musik

Licht und Schatten, Kraft und Vergänglichkeit – Jubel für den Piansten Aaron Pilsan bei den Bregenzer Festspielen

Aaron Pilsan musizieren zu hören ist ein Ereignis. In seinen Werkdeutungen überrascht seine bewundernswerte Musikalität immer wieder aufs Neue. Die virtuose Spieltechnik wirkt als selbstverständliche Grundlage seiner kraftvollen Spielart. Im Rahmen von Musik & Poesi bei den Bregenzer Festspielen interpretierte der 18-jährige Dornbirner Werke von Beethoven, Brahms und Chopin. Michael Krüger, Chef des renommierten Hanser Verlages, las aus seinen Gedichtbänden. Damit wurde ein Bogen zwischen Generationen gespannt. Aaron Pilsan faszinierte mit teilweise revolutionären Musikstücken, Michael Krüger unterstrich in seinen Texten unter anderem die Schönheit des Morbiden.

Die ungestümen Eroica-Variationen, op. 35 von Ludwig van Beethoven spielte Aaron Pilsan am Beginn der stimmungsvollen  Konzert-Lesung. Besonders diese Werkdeutung zeigte eindrücklich die musikalischen Qualitäten des aufstrebenden Pianisten. Sein Spiel wirkte nie intellektuell, sondern war von einer enormen Aussagekraft geprägt. Die Themenführungen gestaltete er durchdacht und von der musikalischen Substanz ausgehend. Jedem Ton verlieh Aaron Pilsan sein eigenes Gewicht, sowohl innerhalb einer melodischen Linie als auch im Akkordaufbau.

Bewundernswerte Selbstverständlichkeiten

Im musikalischen Sinnzusammenhang ermöglichte es ihm seine außergewöhnlich facettenreiche Anschlagskultur, die einzelnen Linienführungen transparent und mit Leichtigkeit zu formen. Auf diese Weise wirkte auch ein orchestral, mit vielen Akkordschichtungen versehener Satz stets durchscheinend und klar. Jede einzelne Variation erhielt ihren individuellen Charakter. Ein Höhepunkt stellte die Fuge dar.

Musikalischer Erzählton

Johannes Brahms Balladen, op. 10 entfaltete Aaron Pilsan mit einem gut nachvollziehbaren Erzählton. Obertonfärbungen im Eingangsthema in der d-Moll Ballade illustrierten, wie bedacht jeder Ton in den Raum gestellt wird. Dann entwickelte sich die Musik in der ganzen Dramatik der zugrundeliegenden Ballade „Edward“ von Johann Gottfried von Herder, die inhaltsreich und plastisch ausgeformt wurde. In einem ausgeglichenen Kontrast dazu stand die zweite Ballade in D-Dur.

Pianistische Meisterschaft

Neben Beethovens „Eroica-Variationen“ bildete die Etüde in c-Moll, op. 10/12 „Revolution“ von Frederic Chopin einen zweiten Schwerpunkt des Abends. Überdies entfaltete sich das Charisma von Aaron Pilsan in der Chopin-Etüde, op. 25/12 . In diesem Werk führte er die Zuhörenden mit höchster Präzision in seinen konzentrierten musikalischen Kosmos. Begeisternd, jubelnd und mit ehrlicher Bewunderung applaudierten die vielen ZuhörerInnen im Seestudio.

Brüchige Schönheiten

Michael Krüger erwies sich mit seinen Texten als genauer Beobachter. So entstanden bilderreiche Gedichte, die seine konzentrierte Sicht auf die Dinge deutlich machten. Naturphilosophische Gedanken und überraschende Einsichten belebten die Texte aus dem Band „Unter freiem Himmel“. Unter anderem mit Licht und Schatten spielte Michael Krüger im Gedichtband „Ins Reine“, wo auch bemerkenswerte Analogien zur bildenden Kunst eines Jan Vermeer und Edward Munch hergestellt wurden. Die Stimme von Michael Krüger passte gut zu seinen Texten. Gedanken über das Schöne vor dem Abgrund und die Vergänglichkeit entwickelten sich facettenreich.

Sympathisch begegnete der bald siebzigjährige Schriftsteller und Verlagsleiter Michael Krüger dem jugendlichen Pianisten. Er stellte sich bescheiden in den Hintergrund und freute sich mit Aaron Pilsan über den frenetischen Applaus.