Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 06. Dez 2010 · Musik

Das Leben im Dreiviertler und von dem, was dazwischen liegt - Evelyn Fink-Mennel und Johannes Bär musizierten höchst anregend miteinander

Die Andoltisbuobo sind Evelyn Fink-Mennel und Johannes Bär. Die Geigerin und der Blechbläser kamen im Bahnhof Andelsbuch zusammen, um alten Zeiten zu frönen. Darüber hinaus ließen sie humorvoll und durchaus kritisch die Gegenwart zu Wort kommen. Bewundernswert geistreich gingen sie dabei mit Musik aus unterschiedlichsten Stilrichtungen um. Evelyn Fink-Mennel spielte Geige und Gitarre sowie Maultrommel, sie jodelte und sang dazu. Johannes Bär sang und jodelte in allen Tonlagen und spielte Blechblasinstrumente von der Trompete bis zum Helikon. Beide sind Musiker von seltener Qualität. Sie besitzen nicht nur das hohe Niveau einer klassischen Instrumentalausbildung, sondern auch eine bewundernswert humorvolle, musikantische Ader. So schöpfen sie aus dem Vollen und schaffen damit eigenständige musikalische Bilder und Geschichten, deren Wahrheiten oft zwischen den Tönen und Zeilen liegen.

Vor fünfzehn Jahren standen die Hausmusiken Fink und Bär gemeinsam als „Blechgeiger“ auf der Bühne. An die Tradition des gemeinsamen Musizierens knüpften Evelyn Fink-Mennel und Johannes Bär an diesem Abend an. Intoniert wurde das Konzert mit einem Jodler, um gleich klarzustellen, dass die beiden nicht nur auf ihren Instrumenten versiert sind, sondern auch mit ihrer Stimme etwas anzufangen wissen. In mehreren Liedern spielte Evelyn Fink-Mennel die Geige als begleitendes Harmonieinstrument, im Duett mit Johannes Bär am tiefen Blech ergab sich aus diesen ungleichen Instrumentenpartnern eine originelle und ungeahnte Klangfülle. Das Publikum wurde bestens unterhalten, nicht zuletzt auch deshalb, weil Evelyn Fink-Mennel so geistreich und witzig durch das Programm führte.

Wo einst Gams und Murmel pfiffen...

Mit Augenzwinkern begaben sich die beiden zu Beginn musikalisch auf die Reise vom Wiener Lied bis zur „Perle Tirols“ nach Kufstein. Kritische und im Bregenzerwald hoch aktuelle Themen brachten die „Andoltisbuobo“ aufs Tapet mit ihrer Version des Fendrichsongs „Wo auf steile Bergeshöhen einsam Gondelbahnen zieh'n, kann man schon von ferne sehen, wie Millionen Schlange steh'n.“ Dabei ging es jedoch nie um einen erhobenen Zeigefinger, sondern musikalisch versiert wurde der Bogen zur Titelmelodie von „Heidi“ in Form eines Cha-Cha-Chas gespannt.

Vier Elefanten und s’ Wälderbähnle

Auch klassische Ohrwürmer aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ und aus Bizets „Carmen“ über einen Tango von Ulli Troy und wieder zurück zu Johann Sebastian Bach mischten die beiden höchst amüsant als Medley auf.
Dass Evelyn Fink-Mennel eine ausgesprochene Volksliedexpertin ist und über eine reiche Fundgrube an Liedern aus unterschiedlichsten Kulturkreisen verfügt, wurde nachvollziehbar, als das spanische Lied „Vier Elefanten wollten balancieren auf einem Seidenfaden“ mit dem Wälderbähnle in Beziehung gestellt wurde. Volkslieder kennen keine Grenzen, eine Stechmücke in Form einer Maultrommel könnte die Liedmelodie transportiert haben, vermutete Evelyn Fink-Mennel.

Drüviertlar und Küadrecklar

Viel Musik wurde im Dreivierteltakt gespielt, eine der Lieblingstaktarten vieler VolksmusikantInnen. Die Lust am unkonventionellen Umgang mit berühmten Vorlagen war bei der Darbietung des „Donauwalzers“ nachvollziehbar. Die Wendungen und Steigerungen im musikalischen Verlauf wurden mit Violine, Gesang und Helikon höchst amüsant an die Oberfläche kristallisiert. Ein Tanzstück aus dem Jahr 1812, das Evelyn Fink-Mennel präsentierte, erregte besondere Aufmerksamkeit. Erstens weil die Musik sehr virtuos gesetzt war und zweitens weil sie so amüsant mit der Intonation bestimmter Noten spielt. Was Jazzer als Blue Note kennen, wurde in Andelsbuch als „Küadrecklar“ erfahrbar.

Fragt die Elster, gefällt’s dir?

Zum Abschluss wurde das Publikum in jene Art der Volksmusik eingeführt, in der die Fähigkeit zwischen den Zeilen bzw. den Tönen lesen und hören zu können, gefragt war. Das Wissen um die erotischen Anspielungen vieler Volkslieder ist heutzutage weitgehend abhanden gekommen. Mit aller Raffinesse sang Evelyn Fink-Mennel ihre Deutung der Vogelhochzeit, bevor das Lied „pädagogisiert“ worden war, wie sie es nannte. Die Stimmung im Saal war gelöst und persönlich, weil die beiden Musikanten so authentisch auftraten - und dies mit einem geistreichen, humorvollen und abwechslungsreichen Programm.