Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 08. Dez 2011 · Musik

Dankbar für Anregungen und Impulse – der Spielbodenchor gab ein stimmungsvolles Konzert mit Werken von Gerold Amann und Murat Üstün

Unter dem Motto „AlemannaTurka“ lud der Spielbodenchor zu einem Konzert für Freunde und mit Freunden. Im Mittelpunkt standen die Komponisten Gerold Amann und Murat Üstün. Ihnen zu Ehren sang der Spielbodenchor unter der Leitung von Bettina Rein und musizierten das Ensemble „Triage“ sowie die Band „Steps to heaven“. Auf dem Programm standen Werke, die großteils für den Chor beziehungsweise die Ensembles komponiert worden waren und nun wieder aufgeführt wurden. Einige originelle Werke blieben besonders in Erinnerung, beispielsweise Gerold Amanns „Wasser-Feuer“ und „Ö!“ sowie „Basar“, „Erleuchtung“ und „Ararat“ von Murat Üstün. Ausgelassen wurde der Konzertabend mit dem Arrangement des Klassikers „Istanbul (not) Constantinopel“ beendet.

Seit gut zwanzig Jahren ist Gerold Amann mit dem Spielbodenchor freundschaftlich verbunden. Wohl kaum jemand kennt die Möglichkeiten, die in diesem Chor stecken, so gut wie er. Deshalb hat er den SängerInnen schon einige Lieder auf den Leib geschrieben. Offen für Vieles und in einem guten Vertrauen auf die außergewöhnlichen musikalischen Stilmittel des Gerold Amann gestaltete der Spielbodenchor die Lieder. Mit Interjektionen und akustischen Gesten wurden die KonzertbesucherInnen begrüßt. Vor allem „Wasser-Feuer“ begeisterte die ZuhörerInnen.
Mit Blubber- und Schnalzlauten sowie Klatschen transferierten die SängerInnen tropfendes und fließendes Wasser sowie prasselndes Feuer auf die Bühne. Ebenso originell war „Taras Thema“, in dem Gerold Amann den Titel „Vom Winde verweht“ wörtlich nahm. Das Trio „Ö!“ ist ursprünglich für drei Bratschen entstanden. „Triage“ spielte das mit Zitaten gespickte Stück in einer Bearbeitung für Kontrabass, Vibraphon und Saxophon. Der zugrundeliegende Spott über die Selbstherrlichkeit der politisch Verantwortlichen kam auch in dieser Werkdeutung gut zum Ausdruck.

Ein äußert vielseitiger Komponist

Gerold Amann hat eine individuelle kompositorische Aussagekraft, die er immer wieder von unterschiedlichen Seiten beleuchtet. So auch im Musical „Wärmelehre“, das in den 80er-Jahren entstanden ist. Darin setzte er für seine Schüler die physikalischen Lehrsätze der Wärmelehre in Musik um. „Bewegung“ ist ein Ausschnitt daraus, den der Spielbodenchor interpretierte. Dass Gerold Amanns Musik sehr vielgestaltig und immer wieder aufs Neue überraschend wirkt, war auch bei diesem Konzert eindrücklich zu erfahren. Obwohl die dargebotenen Werke nicht unbedingt repräsentativ sind für seine Kompositionsart, sind sie doch ein wesentlicher und qualitativ hochwertiger Teil innerhalb seines Gesamtschaffens. Ergänzt durch die knappen, aber umso treffenderen Kommentare von Gerold Amann wurde das Publikum bestens unterhalten.

Musikalische Bilder aus der Heimat

Für das Konzert am Dornbirner Spielboden fanden sich die Musiker Uwe Martin (Kontrabass), Frank Steckeler (Saxophon), Christoph Indrist (Percussion) und Uli Binetsch (Posaune) nach längerer schöpferischer Pause wieder zusammen. Im Auftrag des Ensembles „Triage“ hatte Murat Üstün vor etwa zehn Jahren „Egeus“ komponiert und damit zu einem individuellen musikalischen Ausdruck gefunden. Musikalisch schilderte er die Ankunft in der Heimat. Mittels motivischer Verweise, ungerader Rhythmen und spezieller Instrumente wie der Rahmentrommel und der Darabuka kamen die zugrundeliegenden Stimmungen zum Ausdruck.

Stringente musikalische Einheiten

In „Ararat“ beschrieb Murat Üstün einen Vulkan in Ostanatolien. In der Werkdeutung wurde zu Beginn eine Spannung mit Tonrepetitionen und raumgreifenden stehenden Gesten aufgebaut. Die stringenten musikalischen Einheiten verdichteten sich im zweiten Teil, wo sie in solistischen Passagen unterschiedlich beleuchtet erklangen. Die Ensemblemitglieder musizierten bemüht, agierten jedoch etwas angespannt, so dass die Werkdeutungen teilweise etwas statisch wirkten. Eine humoristische Ader entwickelte „Triage“ im Werk „Coq au Vin“, in dem Murat Üstün seine mangelnden Kochkenntnisse musikalisch verarbeitet hat.

Von türkischen Volksliedern berührt und inspiriert

Einige KonzertbesucherInnen waren wohl erstaunt über die kompositorischen Ausdrucksmittel von Murat Üstün. Denn nicht selten erwarten sich ZuhörerInnen von einem in Österreich lebenden Türken eine Art „Ethnosound". Doch diese Erwartungen erfüllt der in Klaus lebende Musikpädagoge und Komponist Murat Üstün nicht. Türkische Volkslieder sprechen den Komponisten unmittelbar an und berühren ihn. Deshalb verfasste er für den Spielbodenchor und „Steps to Heaven“ mit Franz Kabelka (Saxophon), Helmut Klien (Gitarre), Wini Gerstgrasser (Akkordeon) und Uwe Martin ein Arrangement des berühmten türkischen Wiegenliedes „Nenni“. Horizontal ausgerichtete, melodische Linien, die an orientalische Musik erinnern, gestaltete der Chor bewusst aus, harmonisch gut unterstützt von der Band „Steps to heaven“.

Alltagsleben in Musik gefasst

Für das vergangene Projekt des Spielbodenchores, den „Westöstlichen Divan“, hatte Murat Üstün die Werke „Erleuchtung“ und „Basar“ komponiert. Eindrücklich war die Offenheit der ChorsängerInnen zu spüren, die mit Begeisterung und inspirierender Kraft die Lieder gestalteten. Zugrundeliegende Patterns wurden in „Erleuchtung“ mit Melodien überlagert und daraus ein stimmungsvolles Ganzes geformt. Die besondere Atmosphäre eines orientalischen Marktes wurde in „Basar“ musikalisch sehr originell eingefangen.

Die Begeisterung für eine Sache

Insgesamt zeichnete sich das Konzert vor allem durch eine ungezwungene und ehrlich gemeinte Freude an der Musik von zwei Persönlichkeiten aus, die für die Vorarlberger Musikszene überaus wichtig sind und Maßstäbe setzen. Die Begeisterung für die gemeinsame Sache war im voll besetzten Saal unmittelbar spürbar.