Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Thomas Kuschny · 29. Nov 2018 · Musik

„Call Me Helium“ - Doran/Stucky/Jordi und Studer im Spielboden

Kürzlich im Netz einen Konzertmitschnitt der Jimi Hendrix Experience von 1969 in Stockholm entdeckt. Etwas lustlos und nicht wirklich gut eingespielt quält sich das Trio um den für immer und ewig Führenden der Gitarren-Torschützenliste durch das Set, schon etwas seinen Nimbus verlierend. James Marshall Hendrix wäre am 27. November 76 Jahre alt geworden, stattdessen ist der 1970 Verstorbene Mitglied beim Club27, wieder so eine sinnlose Liste. Die Vielseitigkeit und Kreativität des Komponisten Hendrix tritt ja oft hinter seinen instrumentalen Fähigkeiten zurück, das Schweizer Quartett um Christy Doran ruft dies dankenswerterweise wieder in Erinnerung. Nimbus wiederhergestellt!

Doran ist das, was man einen „Aficionado“ nennt. Nur sieben Jahre jünger als Hendrix hat er sich schon früh intensiv mit dessen Werk beschäftigt. Der wohl nun pensionierte Dozent für Gitarre an der Jazzschule Luzern weiß als treibende Kraft der Band die schon kanonischen Riffs punktgenau mit seiner eigenen, jazzig progressiven Herangehensweise zu vermengen. Sein Sound ist roh und – dort, wo es nötig ist – auch ordentlich laut. Standesgemäß und schwerblütig wird mit „Voodoo Child“ begonnen, das Stück endet mit ein paar Takten von „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band“ von den Beatles, nicht zufällig, denn Hendrix hat dieses Lied zusammen mit „Day Tripper“, das dann folgerichtig später auch noch auftaucht, in seiner Anfangszeit gerne gespielt (vgl. die hervorragenden „BBC-Sessions“). Es folgt „Izabella“, eine wenig bekannte Single-B-Seite, die nun, ganz nach Stucky-Manier, laufend Hadern aus der Pophistorie einzuflechten, mit James Brown's „I Feel Good“ gekreuzt wird.

Hier deutet sich bereits der Trend an, sich neben einigen fast obligatorischen Hits vor allem der schwärzeren, funkigen Phase zu widmen. Auch „Hey Joe“, eigentlich kein Hendrix Original, wie mancher vermuten möchte, wird mit „Who Knows“ der späten „Band of Gypsys“ vermengt. „In From The Storm“, „Drifting“, „Message To Love“ oder „Machine Gun“ stammen aus einer Zeit, als Hendrix mit seinem Image als Gitarren-Abfackler für ein mehrheitlich weißes Publikum nichts mehr zu tun haben wollte. Zerfließende Balladen, unmissverständliche Polit-Statements, funkige Fingerübungen, von allem etwas dabei. „Foxy Lady“ wird rhythmisch ordentlich zerhackt, „Purple Haze“ leidet etwas unter dem temporären Ausfall des Bassverstärkers, was Stucky lakonisch mit Screamin' Jay Hawkins „I Put A Spell On You“ in Richtung des Bassisten Thomy Jordi kommentiert.

Dieser ist mit dem „Intergalactic Maidenballet“ (wer's noch kennt!) großgeworden, sein versiertes, punktgenaues Spiel hat man aber auch bei Helge Schneiders „Firefuckers“ schon hören können. Ihm, wie dem altgedienten Doran-Kumpan Fredy Studer am Schlagzeug, wird viel Freiraum geboten, ganz im Gegensatz zum Vasallenstatus der „Experience“. Und die Stucky? Sitzt während solistischer Ausflüge auf ihrem Vintage Sessel samt weißem Fell vor sich, betätigt hin und wieder Kindermegafone und andere Gadgets, jodelt kein einziges „Zäuerli“ und beschränkt sich für ihre Verhältnisse auf sehr wenige Ansagen. Die Stimme steht hier im Vordergrund und die ist, wir wissen es: grandios!

Das Projekt, in anderer Besetzung vor mittlerweile 25 Jahren von Doran ins Leben gerufen, hat nichts von seiner Knackigkeit und Frische verloren.
„Call Me Helium!“ hat Hendrix, angesprochen auf offenbar schwerwiegende Probleme, angeblich in seinem letzten Interview gemeint. Kann man vielleicht mit „Bin eine Wolke!“ übersetzen. Schade, dass er nun wirklich eine ist, der Abend im Spielboden könnte ihm gefallen haben.

TIPP: Die Herren Doran und Studer spielen auch am 15.12. (20.30 Uhr) wieder im Spielboden. Das in jeder Hinsicht legendäre Quartett „OM“ ist ebendann zu Gast. Auf keinen Fall versäumen!