Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Fritz Jurmann · 25. Mär 2013 · Musik

Benjamin Lack gab dem Feldkircher Domchor „ein Gesicht“: Spannender Palmsonntag zwischen „Hosanna“ und „Crucifixus“

Als gläubiger Katholik erlebt man den Palmsonntag, an dem des Einzugs Jesu in Jerusalem gedacht wird, in jenem eigenartigen Spannungsfeld zwischen „Hosanna“-Jubel und dem drohenden „Cruxifixus“ des Karfreitags. Domkapellmeister Benjamin Lack hat mit Joseph Haydns „Paukenmesse“ diese Stimmung am Sonntagabend für Hunderte von Besuchern im übervollen Dom St. Nikolaus auf berührende und letztlich begeisternde Weise verdeutlicht. Und dabei mit seinem bekannt „goldenen Händchen“ den von ihm seit sechs Jahren geleiteten Domchor qualitativ zu lichten Höhen und einem Erfolg geführt, wie man ihn in dieser Dimension und Tragweite kaum für möglich gehalten hätte.

Kirchenchöre verrichten ihre Arbeit im Schatten

Kirchenchöre haben es gemeinhin nun mal an sich, dass sie ihre Arbeit das ganze Jahr über zumeist bescheiden und „unsichtbar“ hinten auf der Kirchenempore verrichten. So auch der Domchor, der zu den ältesten Einrichtungen dieser Art im Land gehört und auf das Jahr 1902 zurückgeht. „Mir war wichtig, dass wir unseren Chor auch einmal optisch ins rechte Licht rücken und dabei auch musikalisch unsere Leistungsfähigkeit beweisen können“, sagt mir nach der Aufführung ein zwar etwas erschöpfter, aber glücklicher Benjamin Lack. Und hatte sein Vorhaben nicht zu bereuen, denn er gab dem Domchor damit „ein Gesicht“. Im Scheinwerferlicht des Altarraumes blüht der mit einigen Projektsängern auf 47 Personen erweiterte Verein sichtlich und hörbar auf, verströmt gesundes Selbstbewusstsein, Kraft und erstaunliches Volumen.

Das ist bei diesem Projekt auch ein Grunderfordernis. Denn die 1796 entstandene „Missa in tempore belli“, „Messe in Kriegszeiten“, so die korrekte Bezeichnung, erinnert an den Feldzug Napoleons gegen Österreich im Ersten Koalitionskrieg und gehört mit, durch die Pauke angedeutetem Kanonendonner und Siegesfanfaren im „Agnus Dei“, zu den effektvollsten und populärsten unter Haydns insgesamt 14 Messvertonungen. Was Beethoven 25 Jahre später auf so aufsehenerregende Weise in seiner „Missa solemnis“ versucht hat, die Kontrastierung von weltlicher Kriegsnot und geistlichem Frieden, hat Haydn hier bereits vorweggenommen.

Haydn in der Reife seiner Jahre

Der Meister verfügt in seinem Spätstil über die ganze Reife seines Könnens, gestaltet die einzelnen Messteile feierlich und dennoch abwechslungsreich. Und trotz des ernsten Themas scheint ihm auch die strahlende Tonart C-Dur gerade recht zu sein – für das „Hosanna“ im „Sanctus“, vor allem aber auch für den abschließenden Siegesjubel im „Agnus“. Dafür verbindet Haydn Geburt und Tod Jesu im „Et incarnatus est“ und im „Crucifixus“ zu einem gefühlsdichten Largo in c-Moll. Dompfarrer Rudolf Bischof stellt einleitend einen interessanten Lokalbezug zum Entstehungsjahr 1796 her, in dem der wertvolle Silberaltar im Feldkircher Dom von den Truppen beschlagnahmt wurde. Nur noch eine Büste des Hl. Nikolaus ist heute über dem Eingang zur Sakristei erhalten.

Diese Dramatik des Werkes, zugleich das tiefe Gottvertrauen in einer demütigen Haltung, macht Benjamin Lack in seiner zwingenden, mitreißenden Art des Dirigates lebendig. Er legt dabei großen Wert auf klassische Klarheit und Geschlossenheit, auf sorgsame Dynamik und klangliche Differenzierung, Deutlichkeit und saubere Intonation, wählt ansprechende Tempi und erreicht so mit seinem Domchor eine wunderbar ausgeformte, transparente Wiedergabe. Eine dreiviertel Stunde stehen die Sängerinnen und Sänger bei diesem Werk leistungsmäßig im Mittelpunkt, tragen auch den spirituellen Gehalt mit und beweisen mit ungebrochener Kraft und subtiler Pianokultur ihre Überlegenheit, Kompetenz und Routine.

Ausgewogen und effizient besetztes Solistenquartett

Die lyrischen Teile der Messe sind meist dem Solistenquartett überantwortet, das mit vorwiegend heimischen Kräften sehr ausgewogen („Benedictus) und effizient besetzt ist. Die Sopranistin Birgit Plankel beeindruckt mit tiefer Verinnerlichung, Stimmschönheit und Ausdrucksvielfalt, zeigt sich flexibel im schwungvollen „Et vitam venturi“ des „Credo“ als einem ihrer wenigen Soloauftritte. Die ungemein präsente Altistin Veronika Dünser hat ihre eindrucksvollsten Momente zusammen mit dem hellstimmigen deutschen Tenor Johann Winzer im „Sanctus“, während der klar zeichnende Bass Matthias Haid im „Qui tollis“ des „Gloria“ mit dem Solocello von Ingrid Ellensohn wetteifert.

Sie ist Mitglied eines sicher und klangschön agierenden jungen Domorchesters, dem neben dem gewohnten Stamm aus der Musikschule Feldkirch auch Musiker des Symphonieorchesters Vorarlberg wie Konzertmeisterin Monika Tarcsay und aus dem Konservatorium wie der Paukist Andreas Wachter angehören, der als Student seinen großen Soloauftritt im „Agnus Dei“ sichtlich genießt. Domorganist Johannes Hämmerle schließlich grundiert die Messe an einer Truhenorgel.

Der „Paukenmesse“ wird als „Ouvertüre“ ein viersätzig angelegtes „Salve Regina“ in g-Moll von Haydn vorangestellt, in dem sich der Komponist als Meister in der musikalischen Umsetzung der marianischen Textvorlage erweist. Das 25 Jahre zuvor in Eisenstadt entstandene Werk ist von der konzertierenden Verwendung der Orgel geprägt, der Johannes Hämmerle virtuose Gestalt verleiht. Das „Salve Regina“ erklingt hier in der Originalversion für vier Gesangssolisten, die sich diese Einstudierung unter Benjamin Lacks sicherer Anleitung auch zu einer besonderen Aufgabe gemacht haben. Das Quartett entfaltet auf Anhieb eine Qualität, Kultur und Größe des Gesanges, als ob es ein Chor wäre, macht auch durch satte Homogenität staunen. Und die Streicher bilden dazu den ausgewogenen Teppich.

Eine „Paukenmesse-Schwemme“ im Land

Eine Anmerkung schließlich noch zum Thema „Paukenmesse“ von Haydn in Vorarlberg. Diese scheint sich im Moment bei uns geradezu inflationär breitzumachen, denn nach einer Aufführung beim Kirchenchor Wolfurt unter Guntram Fischer im November und der aktuellen Produktion am Palmsonntag im Dom wird man dieses Werk auch am 28. April in Bregenz St. Gallus mit dem Bregenzer Kammerchor unter Hubert Herburger hören sowie im Jänner 2014 mit der Chorakademie Vorarlberg unter Markus Landerer im Abonnement des Symphonieorchesters Vorarlberg. Ein bisschen viel „Gepauke“ auf einmal innerhalb eines guten Jahres, nicht? So, als ob es nicht Dutzende andere, zumindest gleichwertige klassische lateinische Messen gäbe – auch von Haydn, von Mozart, Beethoven, Schubert …

 

Nächste Auftritte des Domchores Feldkirch: Gründonnerstag, 28. März, 20.00 Uhr (Bruckner-Messe); Karfreitag, 29. März, 20.00 Uhr (Motetten und Choräle); Ostersonntag, 31. März, 9.30 Uhr (Schubert Messe in G-Dur)