„Tancredi“ begeistert als Hausoper der Bregenzer Festspiele in glänzender Besetzung. (Foto: Bregenzer Festspiele/Karl Forster)
Silvia Thurner · 19. Sep 2022 · Musik

Belebtes musikalisches Beziehungsgeflecht – persische und mitteleuropäische Musik beim Schallwende-Festival in inspirierender Verbindung miteinander

Im Rahmen des Schallwende-Festivals war der persisch-österreichische Komponist Roozbeh Nafisi zu Gast im Feldkircher Saumarkt. Er brachte auch sein Santur mit und lud Khosro Soltani mit Duduk und Ney zum gemeinsamen Musizieren ein. Im Zusammenwirken mit den Ensemblemusiker:innen, die sich im Schallwende-Ensemble zusammen gefunden hatten, erklangen zwei emotionale Kompositionen. Einleitend wurde das Fagotttrio von Raphael Lins interpretiert. In seinem Werk aus Studienzeiten bei Herbert Willi hat er das vielgestaltige Instrument in farbenreichen Facetten zum Leuchten gebracht.

Raphael Lins schloss vor wenigen Jahren sein Kompositionsstudium am Vorarlberger Landeskonservatorium ab und studiert nun in Wien Tontechnik. Mit mehreren Werken, unter anderem mit einem viel beachteten Vibraphonkonzert, ließ er hierzulande bereits aufhorchen. Im Rahmen des Schallwende-Festivals stellten Heidrun Wirth-Metzler, Lena Marxer und Anja Niederwolfsgruber das 2017 entstandene Fagotttrio vor. In fünf Abschnitten lotete Raphael Lins die Klangeigenschaften des Fagotts in unterschiedlichen Registern aus. Dazu setzte er die Töne über einige Abschnitte hinweg in parallel geführten Linien. Die exakte und gut aufeinander abgestimmte Spielart der Triomusikerinnen ließ dabei die drei Einzelinstrumente zu einem einzigen Klang verschmelzen. Auf diese Weise kristallisierten sich die fein nuancierten Tonqualitäten in unterschiedlichen Tonverhältnissen sowie Schwebungen gut nachvollziehbar heraus. Mit virtuosem Figurenwerk stellten die Musikerinnen auch den fröhlichen Charakter dieses charakterstarken Instruments in den Vordergrund. So kam Raphael Lins’ Fagotttrio als reizvolle Klangstudie gut zur Geltung.

Persische Musik und mitteleuropäische Tradition

Der 1979 in Teheran geborene, persische Komponist und Musiker Roozbeh Nafisi lebt seit einigen Jahren in Wien. Er freute sich über die Einladung zum Schallwende-Festival und zeigte sogleich im Gespräch mit dem Kurator Wolfgang Lindner, dass er ein zeitkritischer und politisch denkender Komponist ist. Denn Kunst und politische Überlegungen würden sich nicht trennen lassen, zeigt sich der Komponist überzeugt. Inspiriert von altpersischen Modi, schuf er zwei Kompositionen, in denen er arabische Musik mit der mitteleuropäischen Klangsprache in Beziehung gesetzt hat. Seine Intention sei es, persische Stilmittel in die europäische Musikkultur einzupflanzen, um auf diese Weise Verbindungslinien zu knüpfen und die Musikkulturen gegenseitig zu befruchten, erzählte der Komponist.
Die erste „Österreichische Radife“ in der Besetzung für Duduk (Khosro Soltani), Santur (Roozbeh Nafisi), Viola (Lena Fankhauser), Violoncello (Mara Achleitner), Bassklarinette (Anna Koch), Fagott (Matthias Kronsteiner) und Klavier (Ivaylo Zlatev) erklang in einer dunklen Tonfärbung. Roozbeh Nafisi spielte das Santur, ein persisches Instrument aus der Familie des Hackbretts. Spannend trafen in diesem Werk arabische Arabesken mit feiner, ornamentaler Linienführung auf die europäische Klangkultur des Ensembles. Allein aufgrund der Klangeigenschaften der Instrumente wirkten die beiden Klangwelten zuerst konträr. Darüber hinaus machte die unmittelbare Hörerfahrung deutlich, wie groß die im europäischen Raum gebräuchlichen Halbtonabstände im Vergleich zu den mikrotonalen Tonfortschreitungen der persischen Modi sind. Feinsinnig schuf Roozbeh Nafisi Verbindungslinien zu einzelnen Instrumenten und schliff auf diese Weise die Übergänge fein. Die Ensemblemusiker:innen nahmen die Stimmung der Modi, die ihnen das Duduk-Santur Duett zuspielte, auf und transformierten den musikalischen Duktus. Flageoletts und Luftgeräusche weichten das Klanggeschehen auf und schufen reizvolle klangliche Anpassungen, die immer wieder aufhorchen ließen. In einer Art Call and Response entwickelte sich eine aussagekräftige Komposition.

Ein herausragender Solist

Nafisis „Österreichische Radifen“ lebten auch von der virtuosen Spieltechnik von Khosro Soltani an der Duduk. Er stellte charakteristische und faszinierend verzierte Tongirlanden in den Raum. Roozbeh Nafisi begleitete ihn sensibel auf dem Santur, indem er mit Imitationen subtile Schattenwirkungen erzeugte. Das Publikum war fasziniert von der lebendigen Kommunikation der Musiker und hörte höchst konzentriert zu.
Ebenso sinnlich wirkte die zweite „Österreichische Radife“ aus der 14-teiligen Serie von Roozbeh Nafisi. In diesem Werk spielte Khosro Soltani die Ney, wieder mit einer bewundernswerten Ausdruckskraft. Auch hier entstand durch die aufmerksamen Ensemblemusiker:innen ein inspirierendes Geben und Nehmen. Der zugrunde liegende Modus wirkte im Vergleich zum ersten Stück offener und heller. Sowohl im Klang als auch im musikalischen Duktus kam der pastorale Charakter der Ney im Zusammenwirken mit dem Ensemble hervorragend zur Geltung.