Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 27. Sep 2010 · Musik

Barockmusik im Einklang mit der Gegenwart - Die Lautten Compagney Berlin und das Raschèr Saxophon Quartet gingen reizvolle Verbindungen miteinander ein

Das erste Abonnementkonzert von "DornbirnKlassik“ war der Barock- und der zeitgenössischen Musik gewidmet. Dazu standen die Lautten Compagney Berlin und das Raschèr Saxophone Quartet zusammen auf der Bühne. Reizvolle Klangverbindungen gingen die Streicher und Bläser mit Werken von Bach, Vivaldi und Purcell sowie der englischen Komponistin Sally Beamish und Philip Glass ein. Während die Uraufführung der bearbeiteten Fassung des Adagios aus Bachs drittem Brandenburgischen Konzert wenig überzeugte, überraschte Beamishs Saxophon-Konzert mit musikalischem Humor und weit schweifenden Bildern.

Die Lautten Compagney Berlin musizierte mit gut nachvollziehbaren und transparenten Linienführungen, die durch die Aufstellung der MusikerInnen auf der Bühne auch einen Raumklang erschlossen. Weil das Barockorchester so klar in getrennten Stimmgruppen auf der Bühne agierte, war es den ZuhörerInnen möglich, die Soli und Tuttipassagen, die Sequenzierungen und das Durchschreiten der melodischen Hauptlinien durch die einzelnen Stimmgruppen auch optisch wahrzunehmen. Es ist das Markenzeichen des Ensembles, das in diesem Jahr mit dem renommierten ECHO Klassik Award als Orchester des Jahres ausgezeichnet wurde, mit einem stark besetzten und klangfarbenreichen Basso Continuo zu spielen. So entstand ein Fundament, das den dargebotenen Werken eine gute Stütze und viel rhythmische Spannkraft verlieh. Außerdem kamen in allen Werken die harmonischen Fortschreitungen deutlich zur Geltung. Zu Beginn war die Akustik im Kulturhaus gewöhnungsbedürftig, doch bald lenkte das Barockorchester die gesamte Aufmerksamkeit auf ihre Werkdeutungen.

Virtuose Concerti

Wolfgang Katschner leitete das Ensemble von seinem Pult als Theorbist aus. Auffallend war die große Übereinstimmung zwischen den MusikerInnen, die ausbalancierte Wechselverhältnisse in den einzelnen Stimmen entwickelten. Virtuos artikuliert erklang beispielsweise das Hauptthema in Antonio Vivaldis Concerto h-moll (RV 580) op 3 Nr. 10 aus  „L’estro armonico“ mit einer gespaltenen Linienführung. Die dunkle Klangfärbung des Brandenburgischen Konzertes Nr. 6 (BWV 1051) kam sehr schön zum Ausdruck und rückte das Werk in ein poesievolles Licht.

Theatermusik

In der durchdachten Programmgestaltung standen den virtuos angelegten Concerti von Vivaldi und dem dritten und sechsten Brandenburgischen Konzert auch Werke von Henry Purcell gegenüber. Den theatralischen Duktus schöpften die Musiker aus, beispielsweise in „First Music“ aus der Semi-Oper „Dioclesian“. Ebenso bilderreich spielte die Lautten Companey den Tanz aus „Dioclesian“ und die Passacaglia aus „King Arthur“.

Transformation in die Jetztzeit

Ungewöhnliche Werkkombinationen, die sich aus einem innermusikalischen Sinnzusammenhang ergeben und die Zusammenarbeit mit anderen Musikpartnern sind der Lautten Compagney Berlin wichtig. Dies wurde auch im Abo-Konzert erlebbar, als die Barockmusiker mit dem Raschèr Saxophone Quartet musizierte. Sally Beamish hat den langsamen Satz aus dem dritten Brandenburgischen Konzert von J.S. Bach für Saxophonquartett und Kammerorchester bearbeitet. Zur Uraufführung dieser Bearbeitung war erfreulicherweise die Komponistin angereist.
Den ersten Satz spielte das Barockensemble im tradierten Stil.  Im Adagio erregte zuerst die eigentümliche Klangmischung der Streicher und der Saxophone die Aufmerksamkeit. Allmählich hob sich der Saxophonklang von den Streichern ab und der musikalische Fluss wurde voluminös gesteigert, in dem die von Bach notierten beiden Akkorde in auskomponierten horizontalen Linien geführt wurden. So entwickelte sich ein leidenschaftlicher, fast romantisch anmutender Duktus. Melodische Bögen traten in den Vordergrund und wurden von den Streichern begleitet. Als die Intentionen der Transformation klar wurden, erklang abrupt wieder der dritte Satz in originaler Gestalt. Die unmittelbare Einbettung in die tradierte Musik war jedoch irritierend. Das Neue ergänzte das Alte nicht optimal, wirkte eingezwängt und erhielt zu wenig Raum.

Mitteilsames Concerto

Vor drei Jahren komponierte Sally Beamish das „Chamber Concerto für Saxophone Quartet and Strings“. Mit einer energischen Geste wurde das Werk eingeleitet. Der humorvolle Charakter und die mitteilsame Gestalt des Eröffnungssatzes offenbarten sich, nachdem die Rollenaufteilungen der MusikerInnen klar abgesteckt waren. Doch dann entwickelte sich ein Bewegungsfluss, der ein sehr amüsantes Spiel zwischen den Saxophonstimmen und dem Orchester um Vormachtstellungen und musikalische Diskurse aufzeigte. Eingängig war die Zusammenführung der einzelnen Gedankengänge verarbeitet, die humorvoll wieder auseinander driften durften. Naturstimmungen implizierte der poesievolle langsame Mittelteil, in dem das Raschèr Saxophon Quartet seine ausgewogene Klangkultur zelebrierte. Schwebungen und reibende Klänge sowie Anklänge an Volksmusik, im weitesten Sinn aus dem europäischen und arabischen Kulturraum, boten die Ausgangsgedanken für abwechslungsreiche Dialoge. Rhythmisch vertrackt und sehr anspruchsvoll wirkte der Finalsatz, in dem eine Klammer zu den vorangegangenen Sätzen geschaffen wurde. Mit Hingabe gestalteten die Musiker dieses ansprechende Werk, das seine Qualitäten jedoch nicht auf Anhieb preisgibt.

Bach und Glass

Musik von Philip Glass ergänzte den etwas zu lange dauernden Konzertabend. Vor allem in Kombination mit der Barockmusik kam die Kraft der Musik von Glass zur Geltung. Denn eigentlich zeichnen sich sowohl die Werke der alten Meister und jene des amerikanischen Komponisten auch durch ihre rhythmischen Energieströme aus. Hier ist auch das verbindende Moment in der Programmierung zu sehen. Vor allem in Glass’ „Concerto for Saxophone Quartet“ aus dem Jahr 1995 entwickelte das Raschèr Quartet eine bewundernswerte Eigendynamik. Rhythmische Impulse setzten durchsichtige musikalische Bewegungen in Gang. Die präzise Linienführung und die kraftvolle Gestik der Quartettmusiker begeisterten. Lyrisch verabschiedete sich die Lautten Compagney mit „Facades“ aus „Glassworks“ von Philip Glass.