Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Thorsten Bayer · 20. Jul 2012 · Musik

Auch von den billigen Sitzen aus eine Attraktion: Regina Spektor in der poolbar

Regina Spektor, Singer/Songwriterin aus New York mit russischen Wurzeln, hat am Donnerstagabend in der ausverkauften Halle des Alten Hallenbades eine berührende Show gezeigt. Neben den Songs ihres aktuellen Studioalbums „What We Saw From The Cheap Seats“ setzte die 32 Jahre alte Pianistin auch auf ältere Hits. Sympathie schlug ihr reichlich entgegen: Heiratsanträge aus dem Publikum gab es zuhauf, übrigens nicht nur von männlicher Seite. Eröffnet wurde der Abend von Only Son, einem jungen Singer/Songwriter-Kollegen.

Minimalismus ist das Credo des Support Acts, Jack Dishel alias Only Son. Mit Westerngitarre, weißem T-Shirt und Lederjacke betritt der Musiker aus New York City gegen 21.10 Uhr die Bühne und sieht mit seinem Lockenkopf ein bisschen wie ein Neffe von Art Garfunkel aus. Nach einem rein akustischen Auftakt kommen weitere Instrumente dazu, was er wie folgt lakonisch kommentiert: „I wanna introduce you to my band. It´s my iPod.“ Dass er zu dick aufträgt, kann man Only Son wahrlich nicht vorwerfen, im Gegenteil: Bescheiden stellt er auch einen seiner letzten Titel mit den schlichten Worten vor: „The next song is ‘My Museum’. It is about …stuff.“ Mit Regina Spektor teilt er übrigens nicht nur die aktuelle, sondern auch die frühere Heimat, die ehemalige Sowjetunion.

Mit vielen Emotionen im Gepäck

Von dort, genau genommen aus St. Petersburg, ist Regina Spektor gerade zurückgekommen; ihr erster Besuch, seit sie mit ihren jüdischen Eltern das Land auf der Flucht vor Antisemitismus verlassen musste. „Dann – an diesem Morgen – nach Moskau zurückgekehrt – derselbe Flughafen, von dem ich vor 23 Jahren das Land verließ… viele Tränen und viele, viele Blumen“, schrieb sie dazu vor wenigen Tagen auf Facebook. In Feldkirch angekommen, nimmt sie zum Auftakt des Konzerts das Publikum mit einem A-Cappella-Stück sofort gefangen. Bei „On the radio“, einem ihrer größten Hits, der nach wenigen Minuten folgt, spürt man das Bemühen der Künstlerin, mehr als nur die Standard-Radio-Version zu spielen: „Live muss ich meine Songs auch immer wieder neu interpretieren, sonst wäre es, als würde ich den gleichen Witz immer wieder erzählen müssen“, hat sie dazu einmal in einem Interview auf laut.de gesagt.

Verführerische Angebote

Ihre Erscheinung mag im ersten Moment in die Irre führen; erwartet man doch eine empfindsame, wenn nicht verzärtelte Künstlerin vom Schlage einer Tori Amos mit entsprechendem Programm. Doch ihr Auftritt kommt ungeschlifffener daher, wirkt auch deutlich rotziger als auf den Alben. In den seltenen Moderationen setzt sie hingegen schon auf Lieblichkeit. Beispielsweise erwidert sie auf einen der „Marry me“-Rufe aus dem Publikum, das sei jetzt aber ein sehr verführerisches Angebot. Und das offene Lächeln, mit dem sie diesen Satz garniert, lässt fast vergessen, dass diese Antwort doch nicht ganz ernst gemeint sein könnte. Charme hat sie, keine Frage – und keine Angst vor Kitsch. Das muss wahrscheinlich auch so sein, wenn das Album, mit dem ihr 2004 der internationale Durchbruch gelang, den Titel „Soviet Kitsch“ trägt. Damals hatte sie über einen Fan Gordon Raphael kennengelernt, den Produzenten der Strokes. Es folgte eine Tournee mit den Strokes durch die USA, danach mit den Kings of Leon durch Europa.

Soviet Kitsch mit Längen

Im Alten Hallenbad mischt Spektor immer wieder neue Songs wie All The Rowboats“ mit älteren Hits wie „Blue lips“ oder „Eet“, beide vom 2010 erschienenen Album „Far“. So klar ihre unverwechselbare Stimme, so präzise ihr Spiel und das ihrer Bandkollegen an Keyboard, Cello und Drums – im Laufe des Konzerts schleicht sich etwas Monotonie in ihre Show ein. Dieser Eindruck springt auch auf die Zuhörer über, deren Geräuschpegel kontinuierlich steigt. Zwar sind Regina Spektors Songs wahrlich keine Fließbandware, und trotzdem wiederholen sich das sperrige Muster und die Manierismen ihres Gesangs. Richtig böse kann man ihr dennoch nicht sein. Dazu ist ihr unverkrampfter, verspielter Auftritt einfach zu sympathisch. Beispiel? Weil die vierköpfige Band über keinen Trompeter verfügt, übernimmt sie einfach diesen Teil – und singt die Trompetenstimme mit allergrößter Selbstverständlichkeit.

Nach 75 Minuten endet das reguläre Set. Als erste Zugabe folgt „Us“.
Soviet Kitsch, letzter Teil.