Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Silvia Thurner · 27. Nov 2009 · Musik

Akustische Täuschungen - „Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik“ forderten die ZuhörerInnen heraus, wirkten teilweise unbefriedigend und boten einige packende Werkdeutungen

Die diesjährigen „Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik“ stehen unter dem Motto „Klima versus Sinnlichkeit“. Gleich am ersten Abend wurden die ZuhörerInnen auf eine harte Probe gestellt, denn die zur Aufführung gelangten Werke forderten eine Aufmerksamkeit ein, die nicht jede und jeder geben konnte bzw. wollte. Vor allem die Uraufführung von Knut Remonds „Poison Melodies“ strapazierte die Nerven. Die großformatigen Werke von Cornelis de Bondt und Paul-Heinz Dittrich überzeugten am zweiten Festivalabend.

Den Rahmen des überlangen Konzertabends am Mittwoch bildeten Musiken für Tonband. Dabei überzeugte „Metenfes“ von Alex Buess für 5 Lautsprecher vor allem deshalb, weil er die Zuhörenden direkt in das Klanggeschehen mit eingeschlossen hat. Der Komponist verwendete Atemgeräusche als Klangmaterial, das er mannigfaltig verarbeitete. Im Werk wurde ein imaginärer Raum geschaffen, der musikalische Enge und hohle Klangwirkungen, Luft und Weite sowie wellenförmige Ausbreitungen mit einbezog. Auch ein Subbassverstärker kam zum Einsatz, doch hier zeigte sich, dass die elektronische- bzw. elektroakustische Musik vor allem von der Qualität der Lautsprecher lebt. Denn die Umsetzung der tiefen Frequenzen wurden mitunter den Anforderungen nicht gerecht. Trotzdem berührte die Musik, teilweise auch - durchaus gewollt - unangenehm.

Nerven aufreibend

Knut Remond schuf mit „Poison Melodies“ für Piccolo, Bassflöte, Piano und Perkussion“ ein in fünfundzwanzig Teilen angelegtes Werk. Einige Abschnitte beinhalten spannende musikalische Ideen im Ausloten zwischen den Polen des Klaviers und der Perkussion. Mitten drinnen spielte die Piccolo durchwegs gleißend hohe Töne. Alle Instrumente wurden elektronisch verstärkt, dadurch konnten stehende Klänge künstlich oder durch das Streichen der Saiten im Korpus des Klaviers verlängert werden. So zogen sich die Abschnitte, großteils mit minimalen Veränderungen über weite Strecken langatmig dahin, die Aufmerksamkeit und das Nachspüren von Klängen erschöpften sich sehr schnell und was blieb, waren der Eindruck und die Frage, ob sich der Komponist der Proportionen dieses Werkes bewusst war. Ich jedenfalls wurde in meinen Erwartungen, die der einleitende Text implizierte, sehr enttäuscht. Die zugrunde liegenden Ideen könnte der Komponist in einem Bruchteil der hier beanspruchten Zeit darlegen. Jürg Henneberg, Leiter des „Ensembles Phoenix Basel“ spielte am Klavier, Daniel Buess agierte am Schlagzeug sowie Christoph Bösch an den Flöten. Den Musikern gebührt Anerkennung für die konzentrierte Darbietung.

Erfrischend

Nach dieser Geduldsprobe wirkte Alex Buess’ „Khat“ für verstärkte Bassflöte, elektro-akustisch manipulierte Perkussion & Live-Elektronik erfrischend, denn das Werk ist rhythmisch inspiriert, witzig in der Klanggebung, abwechslungsreich und wohltuend in der Kürze. Als Perkussionsinstrumente dienten große Dosen, die eine davon wurde als Rassel verwendet, sowie eine Rahmentrommel. Das Ensemble wurde unterstützt vom Elektroniker Thomas Peter.

Dokumentarisch

Korrespondierend zum elektroakustischen Stück am Konzertbeginn wurde abschließend Bernard Parmegianis „De Natura Sonorum für Tonband“ abgespielt. Das Werk ist bereits fünfunddreißig Jahre alt und es zeigte sich, dass es in der vollen Länge lediglich dokumentarischen Charakter hat. Was Parmegiani angefertigt hatte, waren damals weitgehend unerhörte Klänge und Kombinationen in einer beeindruckenden Bandbreite, vom weißen Rauschen über naturalistische Klänge und manipulierte Sounds. Die „btzm“ sind bekannt dafür, dass sich das Publikum auf ein konzentriertes Hinhören einlässt und sich bewusst mit neuester Musik auseinander setzen will. Der Eröffnungsabend hinterließ bei mir allerdings den unbefriedigenden Eindruck eines nicht als solches deklarierten ‚Werkstattkonzertes’.

Virtuoses Figurenwerk

Cornelis de Bondt schuf mit „Grand Hotel“ für Klavier solo ein großformatiges Solowerk, das in einem überaus dichten Satz und in der Interpretation von Gerard Bouwhuis gute Unterhaltung bot. Das virtuose Figurenwerk und die tonalen Bezugspunkte erinnerten frappant an einen spätromantischen Habitus und Werke von Franz Liszt und Peter I. Tschaikowsky. Allerdings bezieht sich Cornelis de Bondt nicht auf diese Komponisten, sondern auf die Beethovensonate, op. 111. Er sezierte das Werk und filtrierte aus einer Strukturanalyse für ihn spannende Ausgangsmaterialien heraus, die in einen dicht verwobenen, neuen Kontext gesetzt wurden.

Sinnlichkeit erfahrbar gemacht

Paul-Heinz Dittrichs „III. Streichquartett“ mit dem Untertitel „Nacht-Musik“ führte das Publikum in die romantisch aufgeladene Welt von Novalis’ Gedichten „Hymnen an die Nacht“, ohne jedoch Anleihen an Klischees zu nehmen. Das „Sonar Quartett“ (Susanne Zapf, Kirsten Harms, Nikolaus Schlierf und Cosima Gerhard) musizierte die Impuls gebenden, kommentierenden und energetischen Passagen mit viel Konzentration aufeinander. So entstanden reizvolle Kommunikationsmuster, auf Aktionen folgten oft unerwartete Reaktionen. Die Verhältnisse zwischen den einzelnen Stimmen und die Stimmführung in der Gruppe, das Nebeneinander-her-Agieren und die Bezugnahme aufeinander mit rhythmisch originell verstrickten Passagen machten diese Komposition zu einem spannenden Hörerlebnis.