Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Thomas Kuschny · 16. Dez 2018 · Musik

Abstraktes Roadmovie - „OM“ am Dornbirner Spielboden

Wer kennt „OM“? Dem einen oder anderen wird die Sanskrit-Silbe vielleicht im Zusammenhang mit Meditationsübungen schon untergekommen sein. („Om mani padme hum“!) Davon soll hier freilich nicht die Rede sein. „Om“ ist auch der Titel eines doch mitunter sehr anstrengenden posthum erschienenen John Coltrane Albums, das womöglich unter Zuhilfenahme gewisser Substanzen entstanden ist. Offensichtlich schwer beeinflusst von genau dieser Musik (und den Substanzen?) haben sich Anfang der 70-er Jahre vier Luzerner nach eben diesem Album benannt, um eine „Electric Jazz Free Music“ in die Welt zu tragen.

Von eben dieser Welt nun längst vergessen, hatten die Vier damals europaweit ziemlich großen Erfolg, kamen beim renommierten ECM-Label unter, eine Veröffentlichung erscheint gar in der "Rolling Stone"-Liste der 100 wichtigsten Jazzplatten überhaupt! 1982 war vorerst Schluss. 2006 gab es eine „Reunion“, offenbar wenig beachtet, ein Stück der damals wieder bei ECM erschienenen Kompilation „Retrospective“ bringt es im Moment auf 22 Klicks im Netz (jetzt 23!). Sporadisch tritt das Quartett nun immer mal wieder auf, wer sich hier aber „alten Wein in alten Schläuchen“ erwartet, darf sich gern eines Besseren belehren lassen.

Hier sind vier rüstige Herren am Werk, deren einschlägige Erfahrungen im Genre sich fast schon in Jahrhunderten messen lassen können! Proponenten der ohnehin oft sträflich unterschätzten Schweizer Improvisationsszene, die auch auf unzählige Kollaborationen mit ihren ungleich berühmteren Kollegen aus New York oder von sonstwo her verweisen können. Stellvertretend seien hier John Zorn, Tim Berne, Phil Minton, Evan Parker, Fred Frith und Keith Rowe erwähnt.

Das Genre ist in diesem Fall die frei improvisierte Musik. Im Gegensatz zu den „OM“ des vergangenen Jahrhunderts kommen die Konzerte nun nämlich gänzlich ohne Plan aus. Hier die Spannung über 80 Minuten zu halten, ist nicht leicht, gelingt freilich auch nicht vollständig, dies liegt allerdings in der Natur der Sache. Über weiteste Strecken aber vermögen die Musiker einen Sog zu erzeugen, dem man sich, mit offenen Ohren ausgestattet, kaum entziehen könnte. Wenn man denn wollte. Will man aber nicht.

Die Assoziation zu einer langen Autofahrt liegt nahe, es geht durch weite Felder, öde Vorstadtsiedlungen, hässliche Industriezonen und pulsierende urbane Zentren.

Man bedient sich hierzu mannigfaltiger Mittel: Urs Leimgruber lockt aus seinen Saxofonen heraus, was herauszulocken ist. Überblastechniken, Mehrstimmigkeit, ohne Mundstück, nur Mundstück, Dämpfer,… es klingt nach Ententeich, Reifenquietschen und Unterwassergeräuschen, aber auch nach Solo im klassischen Freejazz-Stil.

Bobby Burri bedient den Kontrabass sitzend, wohl dem Alter geschuldet, jagt ihn ab und an durch allerlei Effekte. Fredy Studer am Schlagzeug ist es vorbehalten, immer dann Fahrt aufzunehmen, wenn es allzu kontemplativ wird. Sein sehr dynamisches, vielseitiges Spiel macht ihn zu einem gefragten Sideman, auf über 100 Veröffentlichungen ist er zu hören. Mit dem Gitarristen Christy Doran verbindet ihn eine ewige musikalische Freundschaft, die beiden spielen in unterschiedlichsten Formationen seit 54 (!) Jahren zusammen, unlängst mit Erika Stucky auch am Spielboden. Doran hält sich sehr zurück, nie kreischt und jault es aus seinen zwei Verstärkern, weiche Töne mit Echo und Harmonizer dominieren.

Natürlich haben wir es hier nicht mit Musik für die Massen zu tun, man würde sich aber wünschen, dass das vorhandene Publikum die Kunde verbreitet, was man abseits des Gewöhnlichen auch noch für (musikalische) Erfahrungen machen kann. In diesem Sinne!

Das nächste Jazzkonzert am Spielboden:
Jazzorchester Vorarlberg - Hermannology"
Komposition/Leitung: Gerd Hermann Ortler
Spielboden Dornbirn
Fr, 28.12.2018, 20.30 Uhr
www.spielboden.at
www.jov.at
www.gerdhermannortler.com