"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Peter Ionian · 01. Jul 2016 · Musik

40 Jahre Openair St. Gallen – Ein ausverkauftes Jubiläum im Sittertobel

Im Jahre 1977 trafen sich 2048 Musikfans auf dem Aetschberg in Abtwil und feierten das erste St. Gallen Openair. Daraus sind inzwischen 30.000 Besucher pro Tag geworden, die Zeltstadt ist ins Sittertobel umgezogen und das ehemalige Hippie-Event wurde zur Großveranstaltung – eigentlich sogar zu einer der wichtigsten Institutionen der Ostschweiz. Die Kombination von einmaligem Festivalgelände, auf dem Zeltplatz und Bühnen nicht voneinander getrennt sind, familiärer Stimmung und einem immer wieder erstklassigen Line-Up sind nur drei Gründe für den Erfolg. Auf jeden Fall ist das St. Gallen Openair seit 40 Jahren ein schöner Ort für Begegnungen zwischen Menschen. Und auch wenn ein solches Jubiläum die Erwartungen manchmal höher ausfallen lässt, als an anderen Jahren, konnte das sympathische Openair in unserer direkten Nachbarschaft gestern mit einem extrem starken ersten Festivaltag starten und verspricht noch einige Höhepunkte an diesem Wochenende. Obwohl die Festivalpässe schon nach wenigen Tagen ausverkauft waren, sind noch immer einzelne Tickets im Umlauf und es gibt Tagespässe für Sonntag zu kaufen.

Innovationen und Nachhaltigkeit


Pioniergeist und innovative Ideen waren den Festivalmachern des St. Gallen Openair schon immer ein Anliegen. Seit den Neunzigern setzten die Verantwortlichen weichenstellende Aktionen, um dem Abfallproblem solcher Großveranstaltungen Herr zu werden. Maßnahmen wurden eingeführt, Umweltstudien erstellt, die letzte große Neuheit im Dienste der Umwelt war 2014 die Einführung eines Zeltdepots von 20 Franken. Belohnt wurden diese Bemühungen mit zahlreichen Auszeichnungen. Viele Festivals in ganz Europa ließen sich davon inspirieren. Auch in der Werbung und Kommunikation war man immer bemüht, neue Wege zu gehen. In den letzten Jahren machte das Festival vor allem mit der Einführung des Cashless-Bezahlsystems (2013) und der Lancierung des eigenen Fanportals (2014) Schlagzeilen. Im Jubiläumsjahr gibt es natürlich auch wieder Neuerungen: Der sogenannte „Plaza“ ist ein neues Quartier auf dem Festivalgelände mit kleineren Food-Ständen, einer Kreativ-Ecke und Street Culture. Auch das 2015 gegründete Design Village, ein Ausstellungsort für Jungdesigner aus der ganzen Schweiz, ist Teil der neuen Besucherattraktion. Im Vorbereich der Sitterbühne traten am ersten Festivaltag ausschließlich regionale Bands auf einer temporären Bühne auf, die nur am Donnerstag stand und dann wieder abgebaut wurde. Das geschah im Zuge von Musig Uf De Gass, einem Ostschweizer Musikfestival, organisiert und unterstützt vom Openair St. Gallen.

Ein gewaltiger Festivalstart


Es gab, wie so oft in diesem noch jungen Sommer, auch am Donnerstag, 30. Juni 2016, im Sittertobel mehrere Regengüsse. Die Schauer am Vormittag und im Verlauf des Nachmittages weichten das Gelände ein wenig auf. Als um 20 Uhr die ersten Bands des heurigen Festivals loslegten, sollte nochmals Wasser vom Himmel fallen, aber schon eine Stunde später war das vorüber, das Gelände war natürlich teilweise vermatscht, aber größtenteils noch in sehr gutem Zustand. Die ersten Besucher warteten schon am Mittwoch vor dem Gelände. Der Ansturm am Donnerstag war dann massiv, teilweise musste man mit mehreren Stunden für die Abfertigung rechnen, bis man endlich die Zelte aufstellen konnte. An mehreren Orten wurden die EM-Spiele übertragen, was mit großem Interesse wahrgenommen wurde. Während der regnerischen Phasen konnte man sich in der Casa Bacardi oder den vielen Zeltbars unterstellen. Mit dem Opener Nothing but Thieves aus UK auf der Sternenbühne wurde gleich großartig gestartet. Als um 22 Uhr dann Fettes Brot mit ihrem Set loslegten, war das Zelt vollgepackt mit feiernden Gästen. „Es war gewaltig! So viel war an einem Donnerstag noch nie los“, versicherten regelmäßige Openair-Gänger. Mit all ihren bekannten Hits verwandelten sie die Sternenbühne in ein Partyzelt. Getanzt wurde dann noch bis zu den elektronischen Sets, z.B. vom kreativen Schweizer Wassily und den US-Amerikanern Gramatik.

Eskalation und Emotion


Auch wenn der erste Tag schon voll eingeschlagen hat, besteht durchaus noch Potential zur Steigerung. Heute Freitag verspricht der deutsche Rapper Casper die aufreibende Vorbereitung zur absoluten Eskalation bei Deichkind, die ab 00:30 Uhr die Nacht gestalten. Ein solcher elektronischer Latenight-Act fehlt am Samstag, dafür spielen dort keine geringeren als die Briten Radiohead, die mit ihrem neuen Album an ihre ursprünglichen Ansätze erinnern. Natürlich gibt es jede Menge weitere, hochkarätige Bands zu hören: Crystal Fighters, Boy, Caribou, Bubble Beatz, Two Door Cinema Club, Refused und viele mehr. Meist wird ein Festivalbesuch aber rückblickend ganz anders beurteilt, als man das im Vorfeld gedacht hätte. Die großen Namen und ihre Zugkräftigkeit seien wichtig, aber für viele Besucher sind es dann die Neuentdeckungen, die in Erinnerung bleiben. Speziell erwähnt seien hier die Briten Rag'N'Bone Man oder Blossoms, das Schweizer Pullup Orchestra und eine ganze Heerschar an Geheimtipps.

Tickets für Sonntag erhältlich


Da auch heuer wieder alle Festivalpässe innerhalb kürzester Zeit ausverkauft waren, gibt es nur noch ein geringes Kontingent, das direkt erhältlich ist so lange der Vorrat reicht. Eine andere Möglichkeit ist der Privatverkauf. Lediglich für den letzten Festivaltag, nämlich Sonntag, gibt es noch offiziell Tickets. Beeindruckend, wenn man bedenkt, dass das erste Openair gerade mal 15 Franken Eintritt kostete und man inzwischen weit über 200 Franken für den Dreitagespass bezahlt. Für Euro-Länder ist der starke Franken natürlich eine zusätzliche Belastung, gewechselt wird eins zu eins. Der Sonntag ist auf jeden Fall schon eine Überlegung wert, spielen doch von The London Souls aus den USA über Alligatoah aus Deutschland bis hin zu den britischen Headlinern Mumford & Sons nochmals jede Menge Knaller. Mit dem Auto ist man in kürzester Zeit auf dem Parkplatz Breitfeld in St. Gallen und schon sitzt man im Shuttlebus zum Festivalgelände. Also für alle Festivalfreunde: Alltag aus und ab ins Sittertobel.