Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Silvia Thurner · 02. Aug 2009 · Musik

„Eines Schatten Schattenspiel“ - Orpheus und Eurydike im Lichte von Harrison Birtwistle lenkten den Blick auf viele Betrachtungsebenen

Orpheus und Eurydike haben schon viele Künstler und Komponisten inspiriert. Auch einige Werke von Harrison Birtwistle spiegeln das Interesse des britischen Komponisten an diesem antiken Mythos wider. In der Kammeroper „The Corridor“ dehnt er einesteils jenen Augenblick, in dem Orpheus im Reich der Toten zu Eurydike zurück blickt und sie für immer verliert, auf ein einstündiges Werk. In „Semper Dowland“ huldigt er den Renaissancekomponisten John Dowland, indem er dessen "Lachrimae Pavanen" für sich verwendet. Im Rahmen der „Kunst aus der Zeit“ wurden Birtwistles Kammeropern erstmals in Österreich gezeigt. Das Publikum reagierte begeistert.

Eine mehr rituell-sakrale Stimmung als musiktheatralische Dramatik erlebten die ZuschauerInnen auf der Werkstattbühne bei der Premiere der beiden Kammeropern. Jedoch bewirkte die Reduktion der Bilder und Bewegungen eine intensiv erlebbare Auseinandersetzung mit den beiden Werken. Die Spannung des leidenden Orpheus im ersten und die unterschiedlichen Lebenswelten von Eurydike und Orpheus im zweiten Teil ergänzten sich gut.

Herausragende MusikerInnen und TänzerInnen

In einer horizontalen Linie postiert, musizierten die Musiker der „London Sinfonietta“ Michael Cox (Flöte), Mark van de Weil (Klarinette), Jamie Campell (Violine), Paul Silverthorn und Morgan Goff (Viola), Timothy Gill und Olly Cates (Violoncello) sowie Helen Tunstall (Harfe) unter der Leitung von Ryan Wigglesworth. Ihr konzentriertes Spiel verströmte eine ausgeglichene Ruhe, so dass die musikalischen Qualitäten transparent zum Ausdruck kamen. Harrison Birtwistle konzentrierte sich in „Semper Dowland“ auf die Musik des Renaissancekomponisten John Dowland, deren Eigenheiten er sehr genau studiert hatte. So schuf er eine Musik mit dicht verwobenen, polyphonen Linien, ausdrucksstark positionierten Tonfortschreitungen sowie einem ausgeprägten Sprachduktus. Diese Art einer Allusion von John Dowlands Musik verwunderte zuerst, doch vor allem im Zusammenwirken mit dem zweiten Werk „The Corridor“ wurden Birtwistles Intentionen nachvollziehbar. Zu „Semper Dowland“ tanzten Helka Kaski und Thom Rackett und interpretierten die zugrunde liegende Handlung. Dabei ging es um das Wollen und das Scheitern des Zusammenkommens. Natürlich und unaufdringlich gestalteten die beiden Tänzer ihre Parts. Bewundernswert geradlinig und direkt im Ausdruck sang der Tenor Mark Padmore die Lieder des Orpheus, begleitet von der Harfenistin.

Sängerin und Schauspielerin zugleich

Die dichte Atmosphäre der Werkdeutung setzte sich in „The Corridor“ fort. Dort trat Elizabeth Atherton als Sopranistin an die Seite von Mark Padmore. Das Ensemble, reduziert um eine Viola und ein Violoncello, musizierte wieder in einer Linie nebeneinander platziert und fungierte als „Schatten der Unterwelt“. Den expressiven Text von David Harsent sangen und rezitierten die Protagonisten mit großer Intensität. Vor allem die direkt formulierten Fragen forderten auch das schauspielerische Talent der Sopranistin. Musikalisch folgten die Antworten der Ensemblemusiker, die reizvolle Perspektivenwechsel und Raum für eigene Assoziationen schufen. Die Tatsache, dass Eurydike aus dem Totenreich nicht mehr zurück zu Orpheus will, erhielt im Laufe des Abends immer mehr Zugkraft. Auch in diesem Teil dienten die kunstvollen Videoprojektionen (Inszenierung: Peter Gill) als interpretatorische Ebene des vielschichtigen Werkes. Die Musik von Harrison Birtwistle spiegelte die bilderreiche Sprache des Textes wider. Sie wirkte unter anderem durch eine innere Spannung, die wesentlich von markanten und gefühlsgeladenen Ausbrüchen bestimmt war. Das Spiel der Klangfarben ließ den dichten harmonischen Satz zudem schillern.