Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Thorsten Bayer · 03. Sep 2012 · Musik

„berge.hören“ – Sehr sympathischer Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe mit Künstlern zum Anfassen

Albin Paulus, Virtuose auf dem Dudelsack und einer Vielzahl von Maultrommeln, sowie Matthias Loibner, der sich der Drehleier verschrieben hat, standen im Zentrum der ersten Veranstaltung im Rahmen von „berge.hören“. Auf Einladung von Miriam Schreinzer, der Geschäftsführerin von Bludenz Kultur, wanderten die beiden mit rund 25 „Konzertbesuchern“ auf dem malerischen Hochplateau der Tschengla oberhalb von Bürserberg und spielten dabei faszinierende Stücke aus dem Bereich der Volks- und Weltmusik.

Sonntag, 12 Uhr, auf der Alpe Rona: Am Holztisch beim Eingang sitzen zwei Männer mittleren Alters mit seltsamen Instrumenten, die sofort das Interesse der anderen Gäste erwecken. Ein kleiner Junge, vielleicht sechs Jahre alt, will es genau wissen. Er geht direkt auf die beiden zu, zeigt auf Metallophon und Dudelsack und fragt: „Was ist das?“

Szenenwechsel, etwa eine Stunde später: Unter einer ausladenden Tanne sitzen die beiden Musiker – Albin Paulus und Matthias Loibner. Wieder haben sie ungewöhnliches Instrumentarium bei sich: Und immer noch ist der Junge an ihrer Seite, dieses Mal sogar in aktiver Rolle. Während der Kleine die Kurbel der Drehleier betätigt, kümmert sich Loibner um den Rest. So spielen sie spontan gemeinsam eine Melodie, die auch dem Bub bestens bekannt sein dürfte: das unverkennbare Titellied von „Pippi Langstrumpf“.

Hemmschwellen abbauen

Zwei Momentaufnahmen ganz nach dem Geschmack des Publikums – und nach dem Geschmack von Miriam Schreinzer. Ihr schwebt bei diesem ungewöhnlichen Veranstaltungsformat, das heuer in seine dritte Saison geht, ein „ungezwungenes Zusammensein“ vor, erklärt sie kurz vor dem Start der Wanderung. „Mir geht es darum, Hemmschwellen abzubauen und die Leute dort abzuholen, wo sie auch sonst sind – in den Bergen.“ Dafür braucht sie Künstler, die sich für so eine Aktion begeistern lassen: „Es müssen kommunikative Typen sein, die gut über ihr Instrument sprechen können.“

Dass sie mit Albin Paulus und Matthias Loibner einen Volltreffer gelandet hat, ist schon nach wenigen Minuten klar. Sehr spiel- und einsatzfreudig präsentieren sie ihr musikalisches Können, erklären gerne ausführlich Hintergründe zu ihren Instrumenten und gehen immer wieder auf das Publikum ein und zu.

Neue und alte Musik

„Unentdecktes Neuland – Eine Wanderung zu den Wurzeln der ältesten Musik der Welt, der Bordunmusik“, das ist der Titel der Veranstaltung, der zunächst auf den einen oder anderen rätselhaft wirken könnte. Die beiden Musiker vor Ort erfüllen ihn jedoch, bei idealem Wanderwetter, sehr sympathisch mit Leben. „Wir spielen neue Musik, sehr alt interpretiert. Oder ist es umgekehrt?“, witzelt der Steirer Loibner. Die beiden kennen sich schon seit Jahren, doch hier spielen sie hier zum ersten Mal miteinander. Loibner fasziniert mit unterschiedlichen Spielarten seiner Drehleier, der er mal flotte Tanzlieder, mal Meditatives wie das eigene Stück „Die funkelnden Blätter“ entlockt. Bei der Wanderung durch die „schmerzhaft schöne Landschaft“ (Loibner) stimmen die beiden immer wieder Jodler an; so auch bei den Steinkreisen. Bergführer Waldemar erklärt, was es mit den Kraftfeldern hier auf sich hat, dann kommt Albin Paulus mit seinem Dudelsack zum Zug. Nach einem gemeinsam gesungenen Andachtsjodler geht es weiter Richtung Alpe Rona, wo bereits Jausenplatten, frische Buttermilch, Most und Holdersaft warten.

Verspielt

Kurz zuvor lässt sich Loibner mit einem tiefen Seufzer ins Alp-Gras fallen. „Hier könnte ich gerade bleiben: einfach hinsetzen und spielen“, sagt er. Kein Zweifel, dass er es auch so meint. Seine verspielte Art ist ansteckend: Als er einen Schwarm Schwalben entdeckt, der in unterschiedlichen Höhen auf Stromleitungen sitzt, macht er sich einen Spaß daraus, das Muster, in dem die Vögel dort sitzen, als Notenblatt zu interpretieren – und direkt die daraus abgeleitete Melodie zu singen.

Einschlafen erwünscht

Das Programm spannt einen breiten Bogen – was gegen Ende auch wörtlich zu nehmen ist, als Matthias Loibner einen Langbogen auspackt, den er mit einer Art Bongotrommel zu verbinden versucht, um den gezupften Tönen mehr Resonanz zu verleihen. Neben ungläubigem Staunen macht sich während dieses fast konzertanten Abschlusses eine wohlige Entspannung breit. Der eine oder andere Zuschauer, der es sich in der Sonne bequem gemacht hat, schläft sanft ein. Das ist durchaus im Sinne der Musiker. So sagt Loibner: „Das ist völlig in Ordnung, wenn Sie einschlafen. Für mich bedeutet das sogar eine große Verantwortung. Denn meine Musik beeinflusst Ihre Träume, und denen können sie schlecht entkommen.“

Format wird fortgesetzt

Das Projekt wurde übrigens im Juni 2011 von Vorarlberg Tourismus mit einem Hauptpreis für innovative Tourismusprojekte ausgezeichnet. „Ein Rundumerlebnis für Augen, Ohren und Gaumen und ein originelles Kunst-/Tourismusprojekt im ländlichen Raum, möglich geworden durch eine beispielhafte Kooperation von Kulturveranstaltern und Tourismusanbietern", befand die Expertenjury. Dieser Einschätzung kann ich mich nur anschließen. Im heurigen September gibt es noch vier Mal die Möglichkeit, unterschiedlichste Dimensionen von alpiner Musik in der Bergwelt rund um Bludenz kennenzulernen; beispielsweise am Sonntag, 16. September bei einer Kulturwanderung mit den Wiener Strottern & Blech (Klemens Lendl, David Müller, Martin Eberle, Martin Ptak) rund um den Lünersee.

 

berge.hören
Weitere vier Termine bis Ende September, jeweils am Wochenende,
Details auf www.remise-bludenz.at