Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Peter Füssl · 03. Sep 2012 · CD-Tipp

Enrico Rava: Rava On The Dance Floor

Als der italienische Trompeter Enrico Rava im Juni 2009 nach Hause kam und seine Frau gerade ein Video über den kürzlich verstorbenen Megastar Michael Jackson anschaute, traf es den renommierten Jazz-Star wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Fasziniert von Jacksons Songs kaufte er alle Alben und Videos, die er finden konnte, und versüßte sich fortan die langweiligen Fahrten auf seinen Tourneen mit dem ausgiebigen Konsum des ungemein reichhaltigen Jacko-Oeuvres.

Ravas Enthusiasmus ging so weit, dass er sein Grundprinzip, in erster Linie die eigenen Kompositionen in den Mittelpunkt zu stellen, über Bord warf und sich zu einer außergewöhnlichen Hommage mit acht Michael Jackson-Kompositionen plus dem von Jackson und Rava gleichermaßen geliebten Charlie Chaplin-Stück „Smile“ entschloss. Im elfköpfigen Parco della Musica Jazz Lab, einer von Enrico Rava maßgeblich geförderten Brutstätte für junge italienische Jazz-Talente, fand er die ideale Besetzung und in Mauro Ottolini einen kongenialen, unglaublich einfallsreichen Arrangeur. Spielwitz und ungebremste Spielfreude ziehen sich wie ein roter Faden durch die neun Titel, deren außergewöhnliche Eigenschaften gekonnt betont und herausarbeitet werden, was zu oftmals verblüffenden neuen Sichtweisen vermeintlich altbekannter Jackson-Hits führt. Und Jazz-Fans, die bisher glaubten, Enrico Rava in- und auswendig zu kennen, können ihn hier nochmals von einer völlig neuen Seite her kennenlernen. Die völlig unverkrampfte Atmosphäre der im Parco della Musica in Rom live aufgenommenen Konzertmitschnitte überträgt sich nahtlos auf den Hörer. „They Don’t Care About Us“, „Privacy“, „Smooth Criminal“, „History“, „Blood On The Dance Floor“, „Little Susie“, „Thriller“ – all diese magischen Jahrhundert-Songs erstrahlen im neuen musikalischen Gewand, dass selbst Überperfektionist Michael Jackson seine wahre Freude damit hätte. Hier wird ein Hauptkapitel der Pop-Geschichte durch einen unorthodoxen Einfall in die Jazz-Geschichte übernommen. Würde mich sehr verwundern, wenn das nicht eines der Alben des Jahres 2012 würde!
(ECM/Vertrieb: www.lotusrecords.at)