Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Ingrid Bertel · 27. Mär 2013 · Literatur

You’ll Never Walk Alone – Peter Langebners Gedichtband „Protokoll eines Fußes“

Seit er mit 17 die Fußballschuhe an den Nagel hängte und das semiprofessionelle Spielen aufgab, hatte er genug Zeit, sich der Essenz des Fußballs zu widmen. Die liegt für den Schauspieler, Regisseur und Therapeuten Peter Langebner im Gedicht, das belegt jetzt der Band „Protokoll eines Fußes“.

Der Ball ist der springende Punkt, betont Peter Langebner. Dass ein Fußballer mit ruhendem Ball verzaubert, das bleibt wohl für immer eine Spezialität von Doktor Sócrates, der Elfmeter bekanntlich ohne einen einzigen Schritt Anlauf verwandelte. Ansonsten bleibt die Begeisterung für ruhende Bälle wohl Sportreportern vorbehalten. Peter Langebner aber schreibt aus der Perspektive des Spielers. Und für den ist der Ball ein „durch und durch springender Punkt“, Fußball eine Einstellung zum Leben und das Tor der „Eingang zu einer vernetzten Welt“. Von der Tribüne hallt es pathetisch „You’ll never walk alone“, auf dem Platz bleiben die Spieler pragmatisch und setzen das Gelernte um.

 

Der Kopf

fällt

vom Hals

schon wieder

schon mehrmals

öfters

immer wieder

wie eingeübt


Als er noch in Hütteldorf trainierte, den vier Jahre älteren Toni Polster, vor allem aber den ungebärdigen Georgie Best bewunderte, da habe er gelernt mit Siegen umzugehen, Niederlagen wegzustecken, Mitspieler zu beobachten und auf sie zu reagieren, eine Taktik zu entwickeln, meint Peter Langebner. Ein guter Spieler müsse die Mitspieler eben bündig charakterisieren können. Vielleicht so wie Georgie Best, der über David Beckham trocken meint: „Er hat keinen linken Fuß, kann nicht köpfen und erzielt keine Tore. Abgesehen davon ist er ok.“ Becks hatte allerdings eine Art, bei Eckbällen den Arm so zurückzureißen, dass man sich fragte, ob dieser Mann die Gesetze der Physik für sich neu geschrieben habe.

Appetitliche Teams


Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Es geht Peter Langebner nicht um das Portrait spezieller Spieler-Persönlichkeiten. „Soll ich sagen: Maradona war besser als Messi?“, fragt er achselzuckend, „jede Generation hat ihre Ideale.“ Und so sieht seine italienische Mannschaftsaufstellung des Jahrhunderts bei ihm vor allem appetitlich aus:

Omertà

Rosso
Coniglio
Cinghiale
Asino

Olivo
Prosciutto
Pomodori
Pesto

Presto
Subito

Alenatore (Trainer): Mani Pulite

Doppelbödigkeiten


Ein anständiger Mensch setze sich mit gewaschenen Händen (mani pulite) zum Essen, meint Langebner. Er spiele mit seiner Mannschaft nicht auf betrügerische Wetten oder die italienischen Korruptions-Untersuchungsausschüsse an, und wenn er den Tormann „omertà“ nenne, dann meine er die Wortkargheit von Tormännern im Allgemeinen und keine Verstrickungen in Mafia-Geschäfte. So meint denn sein „lesender Tormann“ über sich selbst auch nur

Ich
armer
Tor

„Protokoll eines Fußes“ ist geprägt von vielen Reiseerlebnissen, vor allem in Afrika. Dort tragen die Menschen jene Fanleibchen, die nach einer EM in den Caritas-Säcken landen, und da kann es schon passieren, dass eine nigerianische Marktfrau Jürgen Klinsmann am Buckel hat. Langebner beschäftigt sich mit den Legionären, die nach Europa verkauft werden und von denen die meisten auf der Strecke bleiben.

 

so

viele Füße

sagen nichts

sprachlos

heimatlos

mit

beiden Beinen

auf

dem Boden


Menotti und der „linke Fußball“


Dass das Betonoval vom Spielort zum Schlachthof wird, das haben wir immer wieder schaudernd vernommen. In Chile war das so, in Ruanda und so weiter. Jetzt erwähnt Peter Langebner doch einen Fußballer, den er über alle hinaushebt: César Luis Menotti. 1978, als Menottis Elf die WM in Argentinien gewann, da verweigerte El Fláco (der Dürre) dem Präsidenten der Militärdiktatur, Jorge Rafael Videla, demonstrativ den Handschlag. Seine Fans hatte er schon lange zuvor von seiner Philosophie des „linken Fußballs“ überzeugt: „Beim Fußball der Linken spielen wir nicht einzig und allein um zu gewinnen, sondern um besser zu werden, um Freude zu empfinden, um ein Fest zu erleben, um als Menschen zu wachsen.“

Zigoti
Distrikt Kampala (Uganda)


Blattgrün
Eigelb
Sandgelb

kommt
blau dazu

von links rot

nackter Oberkörper
zwischen Eukalyptusästen

kommt Jimi Hendrix
Leibchenmitte
Keuchen

 

Marriedviolett Smaragdgrün Steppenbraun Cleanweiß

 

Colours in the sky
könnte das Spiel heißen

ein bunter Tanz
der
Leibchen

 

Fußball kann ein so schönes Versprechen sein. Manchmal wird es für ein paar Minuten eingelöst. Dann singen die Fans „no more years of hurt, no more need for dreaming“. Und wissen, dass das Träumen weitergeht. Aber wie die Träume zustande kommen, was es braucht, um ihre Farben leuchtend zu halten, davon erzählt Peter Langebner in „Protokoll eines Fußes“.

 

„Protokoll eines Fußes“ von Peter Langebner
Vorpräsentation des Buches

Peter Langebner (Text, Movie)
Markus Kreil (Bass)
Do, 4.4. und Mi, 8.5., jeweils 20 Uhr

Literatur.Salon Dornbirn, Wallenmahd 23, C1, 2. OG
Unart Produktion Verlag
Platzreservierung erforderlich: office@unartproduktion.at
oder Tel. 05572 23019