Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Mirjam Steinbock · 09. Dez 2016 · Literatur

Tief eingetaucht – Das Literaturprogramm „kopfsprung“ lässt Film und Drehbuch von „Drei Tage Nacht“ Wellen schlagen

Oft geht es in der Wahrnehmung schlicht unter: das Drehbuch eines Films. Wer geduldig und aufmerksam ist, mag im Abspann des Films den Namen der Autorin oder des Autors entdecken, ansonsten aber bleibt das Skript vor allem der Betrachtung der Filmcrew vorbehalten. Diese Tatsache nahmen die Kuratorinnen des Literaturprogramms „kopfsprung“ zum Anlass, ein Drehbuch aus seinem Nischendasein zu befreien. Barbara Winkler und Frauke Kühn luden vor der Filmpremiere von „Drei Tage Nacht“ die Autorin Daniela Egger und den Kameramann und Produzenten Hannes Hämmerle auf die Bühne und ließen sie in einer von StudentInnen der Pädgagogischen Hochschule geführten Podiumsdiskussion vom Alltag der Filmindustrie erzählen.

Wer die engagierten Kulturvermittlerinnen Winkler und Kühn kennt, ahnt, dass das Programm noch mehr zu bieten hat. „kopfsprung“, ein in Vorarlberg einzigartiges Format für Jugendliche und junge Erwachsene, rückt einmal im Jahr in Bludenz Literatur in den Mittelpunkt, verquickt sie multimedial mit Film, Musik oder Lichtprojektionen und bringt Texte damit in einen erlebnisreichen Zusammenhang. So kann Lyrik aus dem 19. Jahrhundert schon mal auf Rockmusik treffen. An diesem Abend lesen die „Drei Tage Nacht“- SchauspielerInnen Christina Trefny, Lukas Wurm und Robert Finster nach der Podiumsdiskussion den originalen Drehbuchtext in voller Länge. Was außergewöhnlich ist. Normal ist hingegen, dass DrehbuchautorInnen ihr Mitspracherecht abgeben sobald sie ihr Buch an die Produktionsfirma oder den Sender verkauft haben. Bei Daniela Egger verhielt es sich etwas anders.

Die eigene Idee verteidigen

In dieser Produktion, die dank des Verzichts auf Gagen und mithilfe von Crowdfunding umgesetzt werden konnte, blieb das Team klein und die Atmosphäre einzigartig gut, wie Maskenbildnerin Christine Dressel betont. Wie wichtig ein solides und gut geschriebenes Drehbuch für einen Film ist, darüber informierten Daniela Egger und Hannes Hämmerle das überwiegend junge Publikum ausführlich. Egger, die als Stipendiatin an der Hochschule für Film und Fernsehen in München die Drehbuchwerkstatt besuchte und dies als Ausbildungsort empfahl, riet Interessierten gleichzeitig, sich eine dicke Haut zuzulegen: „Das muss man lernen, die DozentInnen klopfen die Ideen nämlich genau ab und du musst dich hinstellen und deine Idee verteidigen.“ Auf die Frage, worin sie den Unterschied zu Skripten im Theaterbereich sehe, sagte sie: „Beim Filmdrehbuch muss ich mich an nichts halten, ich darf Zeitsprünge machen und sogar mal einen Helikopterflug reinschreiben. Das ist beim Theater nicht möglich.“ Auch Hannes Hämmerle plädierte für ein gut geschriebenes Drehbuch. „Improvisieren kostet Zeit und Geld und birgt Fehler.“ Er informierte, wie viele Bereiche und Arbeitsfelder es bei einer Filmproduktion brauche und dass es oft langer Wartezeiten bedürfe, bis das Set bereit für die nächste Einstellung sei. „Es ist schon lässig beim Film, aber viele Menschen sind enttäuscht, wenn sie sehen, wie lange man warten muss.“

Startschuss

Geduld braucht es auch, um ein Buch zur filmischen Realisierung zu bringen. Dazu sei neben dem Vermögen, Dialoge zu schreiben und eine Handlung zu entwerfen auch ein gutes Netzwerk notwendig, erklärte Daniela Egger. Obwohl eine ihrer Arbeiten an der Hochschule einen Preis gewonnen habe und die Aussichten, das Buch zu realisieren gut gewesen seien, habe sie eher kleinere Sachen gemacht, sagte die Vorarlberger Autorin. „Dieses Risiko muss man sich leisten können. Ich hab´s nicht gemacht.“, gestand sie. Mit dem Kurzfilm „Drei Tage Nacht“ scheint nun aber ein Startschuss gefallen zu sein: Daniela Egger und der Schauspieler und Theaterregisseur Michael Schiemer, der mit diesem Projekt in Filmregie debütierte, sind bereits mit dem nächsten Filmvorhaben beschäftigt.

Eigene Bilder kreieren

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion lasen die SchauspielerInnen das komplette Drehbuch inklusive jener Regieanweisungen, die die Umgebung und Handlungen skizzieren, die verwendete Musik nennen und die Lichtstimmungen, Requisiten oder die emotionale Verfassung der Figuren beschreiben. Noch hatten die Zuschauenden des Premierenabends die Möglichkeit, eigene Bilder zum Gesprochenen zu kreieren und der Phantasie freien Lauf zu lassen. Lediglich die Stimmlagen und Gesten der Schauspielcrew gaben eine Ahnung vom Endprodukt. Gelegentlich ließen Lukas Wurm und Robert Finster durchblicken, welche Szenen ihnen den höchsten Fun-Faktor bereiteten, was wie ein live dargebotener Filmtrailer wirkte.

Füllhorn an Themen auf den Punkt gebracht

In der anschließenden Kurzfilmpremiere erlebte das Publikum dann die filmische Umsetzung und hatte die Möglichkeit, diese mit den eigenen Vorstellungen zu vergleichen. Ein Ansatz, der spannend ist und in dieser Form normalerweise nicht stattfindet. Der rund halbstündige Film bot den Zusehenden ein Füllhorn an Themen, die in dieser knappen Zeit in einem tollen Set, mit stimmiger Kameraführung und guten Schnitten erstaunlich schlüssig erzählt werden: das Scheitern einer langjährigen Beziehung, eine missglückte Männerfreundschaft, Suchtverhalten, ein ausuferndes Eifersuchtsdrama, die Schreibblockade eines Autors und die unter Bedrohung der Existenz unausweichliche Zuwendung zu tiefgreifenden Entscheidungen. Das hätte auch zu viel sein können, funktioniert jedoch sehr gut und könnte so oder so ähnlich in vielen Wohn- und Arbeitszimmern des ländlichen Raums stattgefunden haben.

Spielfreudiges Ensemble

Trotz einiger Änderungen, die Daniela Eggers Drehbuch erfuhr, greift der Text und führt unterhaltsam und oft nachdenklich stimmend durch dieses Kammerstück, das die Schauspieler Wurm und Finster als Protagonisten der Story hervorragend tragen. Flankiert von Christina Trefny als Saskia und Michael Schiemer in der Rolle des Polizisten. Das Drehbuch bietet somit die solide Basis und gibt dennoch genügend Freiraum für die künstlerische Entfaltung des spielfreudigen Ensembles. Und damit ging der Plan auf, den die Autorin, der Regisseur und Produzent für diese Vorarlberger Produktion ausheckten und der sich auf das Publikum übertrug. Eine fast diebische Freude mag sich einstellen, wenn Lukas Wurm als Bastian seine Opferrolle verlässt und endlich gegenüber des schwer alkoholisierten und auf das Verfassen seiner Biographie bestehenden Hannes die Oberhand gewinnt. Und letztlich ertappt man sich auch dabei, Hannes seinen Geltungsdrang nachzusehen und in ihm einen unverbesserlichen Lebenskünstler zu sehen, der schließlich mit gewissem Charme das für ihn Beste aus der Situation heraus holt.
Etwas fiktiv wirkt es schon, wenn Hannes am Ende von drei langen Nächten mit seinem ehemaligen Freund Bastian auf engstem Raum diesem empfiehlt, seine eigene Ex-Freundin Saskia nach so vielen Jahren des Begehrens doch wenigstens endlich zu küssen. Aber man glaubt gern, was einem dargeboten wird und man mag Bastian den neu gewonnenen Mut gönnen und Hannes sein freundschaftliches Verhalten glauben.

Das Ende des Films bleibt offen, aber es ist auch ein Ende mit einem Ausblick. Verbunden mit der Hoffnung, dass noch mehr Menschen in den Genuss von „Drei Tage Nacht“ kommen mögen und es vielleicht auch eine Fortsetzung gebe in der Dreiecks-Geschichte um Saskia, Hannes und Bastian.