Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Manuela Schwaerzler · 06. Mai 2021 · Literatur

„Niemand schreibt mehr eine Utopie. Warum?“

Das Theater am Saumarkt hat sich bereits wieder in seinem Jahresrhythmus eingefunden, wie vor Corona finden im Mai die Feldkircher Literaturtage mit namhaften Schriftsteller*innen statt: dieses Jahr vom 6. bis zum 8. Mai, übertitelt mit „Dystopie 2021 – Über die Zukunft schreiben“. – Ist denn die Zukunft wirklich düster? Marie-Rose Rodewald-Cerha, die mit ihrer Literaturgruppe des Saumarkt-Theaters für das Programm verantwortlich ist, antwortet darauf: „Die Literatur kann nicht beantworten, ob die Zukunft düster sein wird oder nicht. Es geht mir viel mehr um die Frage, seit wann die Utopie (der früheren Jahrhunderte) zur Dystopie wird und warum. Schriftsteller*innen reagieren ja auf die Gesellschaft und ihre eigene Lebenswelt. Was muss da passieren, dass sie sich gezwungen sehen, dystopische Welten zu entwickeln? Niemand schreibt mehr eine Utopie. Warum?“

Zum 100. Geburtstag von Stanisław Lem

Zur Entstehung des Programms erklärt sie weiter: „Wir wollten zunächst die Literaturtage zum Thema Dystopie machen. Da kam der 100. Geburtstag von Stanisław Lem dazu. Das wollten wir nicht unerwähnt lassen und ihm einen Abend widmen.“
Zum Auftakt wird der deutsche Philosoph Michael Weingarten einen Vortrag zu Lems Science-Fiction-Romanen halten und über die zugrunde liegenden Denkmodelle sowie das Scheitern in den Werken „Eden“ (1959), „Solaris“ (1961), „Transfer“ (1961) und „Der Unbesiegbare“ (1964) sprechen.

Dystopische Romane der Gegenwart

Als Gegenpol zu dem 2006 verstorbenen, polnischen Autor Lem wurden zwei junge, weibliche, literarische Stimmen aus Österreich eingeladen: Raphaela Edelbauer (*1990) und Valerie Fritsch (*1989). „Valerie Fritsch zeigt beides auf: den Sehnsuchtsort, die Utopie, und die Entwicklung zum Untergang, die Dystopie. Sie besticht zudem durch ihre ganz tolle außergewöhnliche Sprache.“ Die Bachmannpreisträgerin (2015) hat jedoch nicht ihren neuesten Roman („Herzklappen von Johnson & Johnson“, 2020) im Gepäck, sondern wird aus „Winters Garten“ (2015) lesen. „Ich finde diesen Roman so wunderbar und originell und ich wollte sie schon früher einladen. Es hat aber nie ins literarische Programm des Saumarkts gepasst“, erklärt Rodewald-Cerha.
In literarischen Kreisen ist derzeit (wieder) in aller Munde der Name Raphaela Edelbauer. Auch sie gewann den Publikumspreis beim Bachmann-Wettbewerb (2018) und stand bereits mit „Das flüssige Land“ (2019) auf den Shortlists des Deutschen und Österreichischen Buchpreises sowie des Vera Doppelfeld Preises. Ihr brandneuer Science-Fiction-Roman „Dave“ (2021), an dem sie jahrelang schrieb, eroberte gleich nach Erscheinen die ORF-Bestenliste. Er handelt vom Programmieren einer Maschine – Dave –, die mit menschlichem Bewusstsein ausgestattet werden soll. Programmierer Syz, den zunächst nichts anderes als das Erfüllen dieser Aufgabe interessiert, überkommen jedoch Zweifel am bedingungslosen Glauben an die Technik, als er hinter die Kulissen des Labors blickt und der Frage nachgeht, wessen Interessen Dave schlussendlich dient. Komplex angelegt, aber auch gelungen, wird das Buch in den Rezensionen beschrieben, und als philosophisch, witzig und selbstironisch.

„Raphaela Edelbauer mit ihrem neuen Roman mussten wir einladen. Sie beschäftigt sich in ,Dave‘ ganz aktuell mit der künstlichen Intelligenz und führt so Lems Themen herein in die Gegenwart. Da ist es spannend zu sehen, wie sehr sich die Wirklichkeit seit den Robotermärchen von Lem, 1964, verändert hat und zu welchen Spekulationen das nun führt“, freut sich Rodewald-Cerha.
Den Abschluss der Literaturtage bildet wie gewohnt eine kurze Lesung und anschließende Podiumsdiskussion mit allen Gästen. Michael Weingarten wird Ausschnitte aus Stanisław Lems Roman „Transfer – Rückkehr von den Sternen“ (1961) lesen, die Diskussion zur „Dystopie in der Literatur“ wird moderiert von Klaus Kastberger, Literaturprofessor und -kritiker sowie Juror beim Bachmannpreis.

Feldkircher Literaturtage, 6. bis 8. Mai, Theater am Saumarkt

6.5., 20.15 Uhr: Michael Weingarten: Das radikal Andere als unvergleichbar Anderes beschreiben. Versuch einer Annäherung an Lem, Vortrag
7.5., 20.15 Uhr: Dystopische Romane der Gegenwart von Raphaela Edelbauer („Dave“) und Valerie Fritsch („Winters Garten“), Lesung und Gespräch
8.5., 20.15 Uhr: Michael Weingarten liest Stanisław Lem, anschließend Podiumsdiskussion zum Thema „Dystopie in der Literatur – gestern, heute, morgen“ mit den Autor*innen, moderiert von Klaus Kastberger

Aktuelle Infos zu Beginnzeiten und Corona-Maßnahmen: www.saumarkt.at