Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Annette Raschner · 16. Dez 2019 · Literatur

Neue Publikation über Architektur und Wohnkultur in Vorarlberg: Vorarlberger Bauernhöfe

Im Universitätsverlag Wagner ist ein aufwändig gestalteter Text-Bild-Band über die bäuerliche Architektur und Wohnkultur im Ländle erschienen. Als Autor zeichnet Klaus Markovits verantwortlich, der sich in seiner Heimat Tirol seit 30 Jahren mit dem Bauernhaus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen beschäftigt. Die Neugier im Sinne der interregionalen Spurensuche hat den leidenschaftlichen Geografen mit volkskulturellem Schwerpunkt auch nach Vorarlberg gebracht. Das über 300 Seiten umfassende Buch dokumentiert den Reichtum und die Vielfalt der bäuerlichen Architektur und Wohnkultur Vorarlbergs in rund 700 Aufnahmen.

Die Vorarlberger Bauernhöfe prägen in ihren vielfältigen Erscheinungsformen auch heute noch weite Teile Vorarlbergs und legen Zeugnis einer jahrhundertelangen Tradition bäuerlichen Wirtschaftens ab. Im Bemühen, „historisch Gewachsenes“ bestmöglich zu erhalten und im Respekt vor dem Überlieferten unterscheide sich das Ländle von anderen Regionen, schreibt Klaus Markovits. „Dieses ob der Kleinheit des Landes fein gesponnene Beziehungsgefüge manifestiert sich in einer sehr kleinräumig ausgeprägten Hauslandschaft und findet ihren inneren Zusammenhalt in einer Stuben- bzw. Ofenkultur, die zu den höchststehenden im Alpenraum zählt.“
Der opulente Text-Bild-Band mit Planskizzen, Landkarten, einem umfassenden Textteil sowie einem Bildteil, der sowohl das Innere als auch das Äußere der Bauernhäuser beleuchtet, erzähle von einer Zeit, in der Gebäude entstanden, die eine Seele hatten, schreibt Architekt Juri Troy in seinem Geleitwort. Darüber hinaus erzähle das Buch auch unsere eigene Geschichte: „von Wertewandel, demographischer Veränderung, Industrialisierung und Zersiedelung in den letzten hundert Jahren.“

Verschiedene Hausformen mit entsprechenden Merkmalen

Klaus Markovits nimmt verschiedene Hausformen wie das Walserhaus, das Kreuzgiebelhaus, das Rheintalhaus, das Montafonerhaus, das Bregenzerwälderhaus und das Vorderwälderhaus mit Mittelflurgrundriss unter die Lupe. Er analysiert mitbestimmende Merkmale wie Dächer, Freigebinde, Fassadenmalerei sowie Stuben- und Ofenkultur und schreibt ausführlich über verschiedene Hofformen (Einhof/Paarhof), Bauweisen (Holzbau/gemischte Bauweise/Steinbau), Erschließung (traufseitig/giebelseitig) und Grundrissgestaltung (Eckflurgrundriss/Flurküchengrundriss). 
Das einigende Band aller Vorarlberger Bauernhäuser bestehe „im Eckflurgrundriss, in der Holzbauweise, im weitestgehenden traufseitigen Erschlossen-Sein der Wohnhäuser, in der vorwiegend quaderförmigen Ofenkultur, im häufigen Vorhandensein von (Stand-) Uhren, in den überall anzutreffenden Ahnenbildern, aber auch in den Schöpfen, die zu den Vorarlberger Bauernhäusern ganz einfach dazugehören.“

Eigenrecherche vor Ort

Wie bereits in vorangegangenen Projekten hat Klaus Markovits auch in Vorarlberg Erhebungsblätter angelegt, die akribische Eigenrecherche dann aber vor Ort betrieben. Er habe dabei immer wieder Menschen gefunden, die ihm mit großem Engagement zur Seite gestanden seien, erzählt er. „So im Montafon Frau Marianne Werle vom Museum Frühmesshaus in Bartholomäberg oder im Bregenzerwald Herr Alfons Bereuter in Schwarzenberg – sie alle waren mit der Hauskunde des jeweiligen Raumes bestens vertraut. Architekt Juri Troy aus Bregenz, der das Geleitwort für mein Buch geschrieben hat, hat sich im begleitenden Sinne engagiert, meine Augen auch auf das Thema ,Vorarlberger Bauernhaus und seine Schöpfe‘ gerichtet.“
Auf die Frage, woher sein Interesse an Bauernhäusern rühre, antwortet Klaus Markovits: „Es sind ja immer die Emotionen, die uns grundlegend bestimmen. Natürlich gibt es auch klare Argumente: die Proportionalität der Baukörper, die Verwendung natürlicher Baustoffe, das Eingebundensein in die Landschaft. Aus meiner Sichtweise betrachtet gibt es keinen Kulturgegenstand, wenn ich das Bauernhaus so bezeichnen darf, der in so vielfältiger Gestalt in Erscheinung tritt. Im Gegensatz zur Hochkultur bietet die Volkskultur einen deutlich größeren Spannungsbogen, der seine gesamte Spannkraft ganz automatisch aus dem Raum, der wiederum hauptsächlich von der Vertikalen seinen Variantenreichtum (Bauweise, Hofform, Wohnkultur…) empfängt, schöpft.“
Das übergeordnete Ziel des Buches bestehe darin, die ultimative Schönheit, die er mit dem Begriff „seelenvoll“ verbinde, zum Ausdruck zu bringen, sagt Klaus Markovits. „Ich habe in meiner 30-jährigen Spurensuche immer wieder menschliche Schicksale erlebt, die einen ganz einfach zu schweigen gebieten, wo das Recherchieren und Fotografieren in den Hintergrund tritt, wo einen die Nichtigkeit des eigenen Tuns besonders vor Augen geführt wird.“
In Vorarlberg sei es – im Übrigen – besonders auffallend, dass es sehr viele über 90-Jährige gebe, die sich bester Gesundheit erfreuten!

Annette Raschner ist Redakteurin im ORF-Landesstudio Vorarlberg

Klaus Markovits, Vorarlberger Bauernhöfe. Bäuerliche Architektur und Wohnkultur im Ländle, Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2019, 320 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, ISBN 978-7030-0987-7, € 34,90