Leblose Gebäude im Doppelpack - Denkmal Guide Vorarlberg: Die Bände 3 und 4 sind erschienen
Rustizierte Sockelzonen ohne Arbeiter
Wer sich über die denkmalgeschützten Gebäude in einer bestimmten Gemeinde oder Region informieren will, ist mit den wohlfeilen Bänden (rund 300 Seiten um € 18,50), die das veraltete Handbuch der Kunstdenkmäler, den Dehio, ersetzen, sicher nicht schlecht bedient: Genaue Ortsangaben (Adressen und Geodaten) und die Fotos von Friedrich Böhringer sind allemal unterhaltsamer als die reinen Beschreibungen des Dehio, und auch der Fokus auf die Architektur an Stelle der Kunstgeschichte mag überzeugen, doch was den Büchern auch diesmal fehlt, ist das Leben: Selbst die Arbeiterwohnhäuser der Firma F.M. Hämmerle in Dornbirn werden beschrieben, als wären sie vor allem architektonisch interessant (sie haben „leicht höhenversetzte rustizierte Sockelzonen” – wer hätte das gedacht!) – was offenbar am Wesen des Denkmalschutzes liegt, der sich vor allem an Äußerlichkeiten orientiert. Andererseits darf davon ausgegangen werden, dass gerade in solchen Fällen (Fabriken, Arbeiterwohnhäuser etc.) nicht die architektonischen Besonderheiten, sondern die soziale und wirtschaftliche Funktion die Gebäude erhaltenswert machen, weil sie auf eine bestimmte Zeit mit entsprechenden Entwicklungen hinweisen. Wer allerdings mehr über die sozialen und historischen Hintergründe von Industriedenkmälern wissen will, ist immer noch besser bei den Beschreibungen von Barbara Motter und Barbara Grabherr-Schneider aufgehoben (“Orte – Fabriken – Geschichten”, 2014 erschienen im Haymon Verlag).
Denkmalschutz kann auch beleben
Dass Denkmalschutz nicht gleichbedeutend mit Stillstand sein muss, zeigen aber auch im jetzt erschienenen Denkmal Guide Band 3 Beispiele wie das Jüdische Viertel in Hohenems – oder auch die Marktstraße gleich daneben. Während ersteres dank der Impulse des Jüdischen Museums und der Initiativen der Familie Lacha-Schadenbauer inzwischen enorm aufgewertet wurde, erwacht die Marktstraße erst langsam aus dem Dornröschenschlaf – aber auch hier wohl eher dank als trotz des Denkmalschutzes.
Das Beispiel der seit Jahren leerstehenden und langsam verfallenden Villa Ivan Rosenthal am Beginn der Radetzkystraße zeigt ebenfalls die Schwächen eines solchen Denkmalführers: Er kann kaum auf aktuelle Entwicklungen eingehen und beschreibt deshalb ein Bauwerk, das die Stadtpolitik zur Zeit intensiv beschäftigt, in seinen architektonischen Details, aber weder in seiner historischen Bedeutung noch in seiner aktuellen Problematik.
Kirchen ohne Geschichte
Und selbst bei kirchlichen Gebäuden, die ja vermutlich den größten Anteil denkmalgeschützter Objekte ausmachen (gezählt hab’ ich’s nicht), bleiben die kirchengeschichtlichen Hintergründe bestimmter Entwicklungen im Dunkeln: Weder wird klar, welche Ziele der Gründer der Auer Zunft, Michael Beer, in Rankweil mit der Loretokapelle verfolgen sollte (er war der Pionier der Bregenzerwälder Barockbaumeister), noch erfahren wir, was der Hintergrund der Restaurierung der Stadtpfarrkirche in Dornbirn 1967-69 war: Das Zweite Vatikanische Konzil, das solche Umbauten nahelegte (durch die Empfehlung, die Gemeinde näher an den Altarraum heranzurücken), wird mit keinem Wort erwähnt.
Johann Peer: Denkmal Guide Vorarlberg. Band 3: Dornbirn, Hohenems, Lustenau, Kummenberg; Bucher Verlag Hohenems 2017, 336 Seiten, € 18,50.
ISBN 978-3-99018-407-3; Band 4: Vorderland, Laternsertal, Feldkirch, 264 Seiten, € 18,50, ISBN 978-3-99018-279-6