Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Anita Grüneis · 01. Dez 2017 · Literatur

Babelsprech im Vaduzer Schlösslekeller - Wenn Wörter zu Klängen werden und eine Lesung zum Konzert

Es war eine Premiere: Zum ersten Mal gastierte die Organisation „Babelsprech“ in Liechtenstein. Vor vier Jahren von Lyrikern aus den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz gegründet, hat Babelsprech zum Ziel, das Image der Lyrik zu entstauben und sie als eigenständige Kunstform zu präsentieren. Um dieses Ziel zu erreichen findet jährlich eine große Konferenz statt – nächstes Jahr übrigens in Liechtenstein – an der sich an die 35 Dichter austauschen und am Abend für Publikum lesen. Außerdem gibt es eine Lesereihe in allen Ländern. Finanziert wird das Projekt von der Kulturstiftung des Bundes (Deutschland), vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (Österreich), von Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung und von der Kulturstiftung Liechtenstein.

Vier Autoren aus mehreren Ländern

Im Rahmen der Lesereihe gastierte das Projekt nun zum ersten Mal im Vaduzer Schlösslekeller. Kuratiert hatte diese Lesung die Schriftstellerin Michelle Steinbeck, die auch durch den Abend führte. Dafür hatte sie sich bei Liechtensteiner Kulturschaffenden erkundigt, was typisch für das Fürstentum ist. Man gehe nie zu Fuß, sondern mache alles mit dem Auto, sagte man ihr, und Liechtenstein sei sehr stolz auf seine Mundart. So kam es zu der Speziallesung „Babelsprech Live: Dialäkt Schpezial“ mit vier jungen Lyrikern.

Patrick Savolainen, geboren 1988 in Malaga, aufgewachsen in Biel und Bern, brachte den Innerschweizer Dialekt mit, Simon Deckert, geboren in Österreich und aufgewachsen in Balzers, las Hochdeutsch, Gerd Sulzenbacher, 1993 im Südtiroler Pustertal geboren und in Wien lebend, lautmalte südtirolerisch und Tabea Xenia Magyar, 1988 in Zürich geboren, und in Berlin lebend, sangtanzte ihre Texte.

Junge Lyrik kann singen und malen

Wer bisher keine Ahnung von junger Lyrik hatte, der wusste nach dieser Lesung, wie lebendig und vielfältig diese Kunstform ist. Sie lässt sich in jeder Sprache hören, wenn auch nicht verstehen, vor allem, wenn sich Dialekte und Sprachen mischen. So brachte Patrick Savolainen das Berndeutsch mit dem Schwedischen zusammen, das Ganze klang dann wie ein „interkantonaler“ Dialekt. Außerdem kreierte er eine „essbare Sprache“ mit einer langen Menüfolge. Das hört sich dann schon mal an wie: „Guter Kürbis ist süß wie Rüben“.

Der Think Tank mit dem Propheten und Gott

Simon Deckert las Auszüge aus einem Stück, das am Entstehen ist. Er beschreibt darin einen Think Tank mit fünf Personen: einem Propheten, einem Professor, einer Expad, einer Chefin und sich selbst. „Ich bin ein denkender Tanker, alles was aus mir herauskommt ist ein Geschoss“, heißt es darin. Zudem beschreibt er ein surreales Treffen zwischen dem Propheten und Gott in einem Ballsaal, wo beide auf einfachen Stühlen sitzen und sich gegenseitig spiegeln.

Gerd Sulzenbacher setzte sich mit Übersetzungen auseinander, unter anderem mit einem Stück, das er aus dem Ungarischen in den Pustertaler Dialekt und dann ins Hochdeutsche übersetzt hatte. Dabei lautmalte er, flüsterte, schien zu blödeln, schnitzte die Worte wie ein Grödner Holzschnittmeister und baute riesige Wortberge auf. Bei ihm wird auch das tausend Jahre alte Ladinische wieder lebendig.

Die Lady und die Anagramme der Mayröcker

Zum Schluss las Tabea Xenia Magyar. Sie bereicherte ihre ohnehin starke und sensible Sprache mit Tönen und Gesang. Kein Wunder, dass sie sich vertraut fühlt mit Friederike Mayröckers Kurznotizen in „Etudes“, die sie als Zeichenanagramme wiedergab. Magyar weiß aber durchaus selbst zu dichten und so heißt es beispielsweise in ihrer eigenen Lyrik: „Nach dem Ende der jetzigen Zeit wird die vorherige wieder beginnen“.  

Manchmal klang diese Lesung wie ein Konzert, bei dem vertraute und fremde Wörter in Töne umgesetzt durch den Raum zogen. Der Autor Walter Moers würde es auch „ridikülisierendes Anagrammieren“ nennen.