Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Raffaela Rudigier · 17. Okt 2021 · Literatur

Kolumination – das Festival der Worte auf dem Säntis

Provokative Denkanstöße und keine Langeweile Bekannte deutschsprachige Kolumnist:innen und Slammer:innen versammeln sich demnächst wieder am Säntis in der Schweiz. Hier findet die „Kolumination“, ein „Festival der Worte“, zum zweiten Mal statt. Besucher:innen tauchen zwei Tage lang ein in die Welt der Kolumnen und des Slams – heuer zum Thema „Leistung“. Zum Lesen eingeladen sind jeweils zwei Vertreter:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es sind allesamt Kolumnist:innen, die in ihrem Land bekannt sind und eine regelmäßige Kolumne schreiben. So werden dieses Jahr beispielsweise Monika Helfer (Ö), Jan Fleischhauer (D) oder Birgit Schmid (CH) am Säntis mit dabei sein.

Die Kolumne ist ein von stets demselben (prominenten) Journalisten verfasster, regelmäßig an bestimmter Stelle einer Zeitung oder Zeitschrift veröffentlichter Meinungsbeitrag, heißt es im Duden. Das Wort Kolumne kommt aus dem Lateinischen von „columna“, was „Stütze“ oder „Säule“ bedeutet. Es ist seit dem späten 18. Jahrhundert bekannt und wird im Deutschen etwa seit den 1950er Jahren im heutigen Sinn verwendet. Kolumnen werden von Journalist:innen, aber auch von Autor:innen und Satiriker:innen geschrieben. Sie sind meist kurz und erstrecken sich über etwa eine Zeitungsspalte. Einige Kolumnist:innen sind und waren weithin bekannt, wie etwa Harry Rowohlt, Max Goldt, Harald Martenstein oder auch die Autorin Sibylle Berg. In Vorarlberg kennt man die Kolumnen von Doris Knecht, Monika Helfer oder Ulrich Gabriel.
Kolumnen können gut unterhalten, kritisch hinterfragen, Unscheinbares ins Zentrum rücken oder Alltägliches neu beleuchten. Oft gehören sie zum Ersten (manchmal auch zum Einzigen), was man in einer Zeitung gerne liest. Warum das so ist, hat wahrscheinlich viele verschiedene Gründe: Vielleicht kann man sich mit dem Geschriebenen gut identifizieren, weil die Geschichten aus dem Leben gegriffen sind. Manchmal haben Kolumnen auch eine Ventilfunktion, weil das Weltgeschehen aus sehr persönlicher Perspektive kommentiert wird und meist unterhalten gute Kolumnen die Leserschaft. Man kann die Sache vielleicht auch kritischer sehen, wie einst Ulrike Meinhof, die in einem Artikel im Magazin „Konkret“ die gesellschaftliche Funktion von Kolumnist:innen so beschrieb: „Kolumnisten haben Entlastungsfunktionen. So wird der Eindruck erweckt, in dieser Zeitung dürfe geschrieben werden, wie und was die Schreiber wollen (…) Sie werden relativ gut bezahlt, ihre Namen werden fett gedruckt. Kolumnen sind Luxusartikel, Kolumnisten sind Stars, in ihrer Badewanne sind sie Kapitän.“ Auch daran könnte bis heute einiges wahr sein, die gute Bezahlung der Kolumnist:innen darf im digitalen Zeitalter allerdings eher bezweifelt werden.

Die personifizierte Meinungsäußerung

Was aber macht eine gute Kolumne wirklich aus? Kolumination-Organisatorin Julia Frischknecht erklärt das so: „Was alle Kolumnen auszeichnet, ist ihre Regelmäßigkeit, Woche für Woche, Monat für Monat. Sonst sind Kolumnen aber eine höchst vielfältige Textform, es gibt Kolumnen zu fast allen Themen, aktualitätsbezogene und allgemeingültige, kurze und lange, witzige und ernste, anekdotische und ernste, überraschende und überraschungsfreie. Was alle guten Kolumnen auszeichnet, ist eine gute Sprache. Und was fast alle guten Kolumnen auszeichnet, ist eine Pointe, eine Zuspitzung, ein - oft provokativer - Denkanstoß, eine Parteinahme. Langweilig sollten Kolumnen nicht sein; sie würden sonst im Markt nicht lange überleben.“
Am Säntis widmet man dieser Textsorte ein ganzes Festival. In der Ankündigung heißt es: „Trotz der großen Beliebtheit von Kolumnen und der Bekanntheit vieler ihrer Autoren, gibt es keine Veranstaltung ausschließlich für gern und viel gelesene Kolumnisten. Die Kolumination ändert dies und soll das führende Kolumnisten-Treffen im deutschsprachigen Raum werden. Die Kolumne ist eine wichtige journalistische Stilform. Sie ist die personifizierte Meinungsäußerung eines wortgewaltigen Journalisten, einer wortgewaltigen Journalistin – in Zeiten von Fake News und meist anonymem Online-Journalismus bringt sie ein Stück Glaubwürdigkeit in Branche und Öffentlichkeit.“

Preis der Kolumination für Axel Hacke

Bei jeder Festival-Ausgabe wird der „Preis der Kolumination“ für das Lebenswerk eines Kolumnisten bzw. einer Kolumnistin von einer internationalen Jury (u.a. Raphaela Stefandl) vergeben. Heuer erhält ihn Axel Hacke, der bekannte „Streiflicht“-Kolumnist der „Süddeutschen Zeitung“. Julia Frischknecht: „Ihn zeichnet ein unglaubliches Erzähltalent, eine große Beobachtungsgabe für die Situationskomik des Alltags und ein wunderbar feiner Humor aus. Die FAZ schreibt über Axel Hacke: ‚Wie er da so locker im Scheinwerferlicht auf der Bühne sitzt, ohne Moderator, nur mit seinem Erzähltalent, wie er Pointe um Pointe setzt, da dürfte auch jenen, die ihn zum ersten Mal erleben, schnell klar sein, dass dieser Mann ein Profi in Sachen Dramaturgie ist, mit einem Gespür für feine Ironie, der nichts anbrennen lässt.‘“


Slam, die gesprochene Kolumne

Doch es soll nicht nur das geschriebene, sondern auch das gesprochene Wort im Mittelpunkt des Festivals stehen: „Der Slam, die gesprochene Kolumne, stellt eine jugendliche, ebenfalls verdichtete Form der Meinungsbildung dar. Er soll am Anlass bewusst neben die geschriebene Kolumne gestellt werden. Damit wird die Kolumination auch zum generationenübergreifenden Anlass. Die Kolumination will die Bedeutung der geschriebenen und gesprochenen Kolumne für die Meinungsbildung in einer freien und liberalen Gesellschaft würdigen und fördern. Das ist bei der ersten Ausgabe des Festivals 2019 wohl schon gut gelungen: „Die Veranstaltung war komplett neu und es war eine Herausforderung, die Kolumination bei der Zielgruppe bekannt zu machen. Wir konnten am Ende auf eine sehr gelungene Veranstaltung zurückblicken. Alle Teilnehmenden waren begeistert vom Programm und von den Kolumnisten, Kolumnistinnen und Slammer. Der Säntis hat mit Prachtwetter und wunderschönem Sonnenuntergang ebenfalls zu einer super Stimmung beigetragen.“


Ein hochalpines Festival der Worte

Heuer lautet das Festival-Thema „Leistung“, erklärt Organisatorin Julia Frischknecht: „Es soll jeweils ein breites/offenes Thema sein, das nicht zu fest eingrenzt. Die Kolumnistinnen und Kolumnisten sollen Spielraum haben und verschiedene Facetten des Themas behandeln können. Die Kolumnisten lesen jeweils zwei Kolumnen zum Veranstaltungsthema. Die Slammer tragen einen Text zum Thema vor und schreiben einen zweiten in der Nacht von Freitag auf Samstag. Themenvorschläge können durch die Zuschauer am Freitagabend abgegeben werden. Die Themen werden während dem Abendessen ausgelost und dann am Samstagvormittag durch die Slammer vorgetragen.“
Wer das Festival erleben möchte, muss sich in alpine Höhen begeben und mit der Bahn auf den Säntis hinauffahren. Dort wird am Freitagnachmittag bis in die Nacht hinein gelesen, geslammt und dann mit der Bahn wieder hinuntergefahren. Am Samstagmorgen geht’s wieder hinauf und das Programm dauert bis Mittag.

Kolumination – das Festival der Worte auf dem Säntis
Fr, 22.10., 13.00 – ca. 21.30 Uhr
Sa, 23.10., 8.30 – 12.30 Uhr
An- und Abfahrt mit der Säntis-Bahn