Fünf Generationen nach Franz Michael Felder
Am 13. Mai wäre der große Schoppernauer Dichter und Sozialreformer Franz Michael Felder 180 Jahre alt geworden, sein Todestag jährt sich am 26. April zum 150. Male. Der Franz-Michael-Felder-Verein, der selbst heuer sein 50. Bestehen feiert, nimmt dies zum Anlass, den – so Vereinsobmann Norbert Häfele – „Urahnen der Vorarlberger Literatur der Neuzeit“ in Kooperation mit dem Land Vorarlberg und der Gemeinde Schoppernau in zahlreichen Veranstaltungen zu würdigen und dessen Werk, Engagement und Bedeutung eingehend zu beleuchten. Mit Nobert Häfele hat Annette Raschner gesprochen.
Annette Raschner: Höhepunkt des diesjährigen Jubiläumsjahres ist ein „Fest für Felder“ am 18. Mai in Schoppernau. Welche Überlegungen gab es hinsichtlich der Konzeption dieses Festes?
Norbert Häfele: Es ist ein erfreuliches Faktum, dass Felder in Vorarlberg in der Mitte angekommen ist. Diese Breitenwirkung wollen wir nutzen, um verschiedene Personengruppen und Generationen anzusprechen. Es ist eine Einladung an alle, durch Schoppernau zu spazieren und sich an diversen Orten drinnen und draußen ein teilweise vielleicht auch neues Bild von Felder zu machen. Mit Literatur, Gesang und Klang sowie Bild und Ton wird ein vielfältiges Programm geboten; vom „Theater im Dorf“ bis zum Auftritt des Spielbodenchors. Eine Neuerung ist die so genannte „Felder-Kulturtour“, die von der Kulturabteilung des Landes gestaltet wurde. Sie richtet sich an Familien und umfasst dreizehn Stationen. Der schon länger existierende „Felder-Weg“ lädt zusätzlich dazu ein, auf Felders Spuren zu wandeln.
Raschner: Beim FAQ-Festival wurde unter anderem die Frage aufgeworfen, was wir heute von Felder lernen können. Welche Antwort fällt Ihnen dazu ein?
Häfele: Man kann sehr viel von ihm lernen! Das wird man auch bei den drei Podien erfahren können. Beim ersten werden wir die Umbruchszeiten um 1860 der aktuellen Situation gegenüberstellen; mit den bestimmenden Drahtziehern und den sich zum Aufbruch rüstenden AktivistInnen von damals und heute. Auch jetzt leben wir wieder in einer Zeit der Umbrüche. Damals sind die Parteien neu gegründet worden und das Genossenschaftswesen ist entstanden, heute befinden sich viele Parteien im Sinkflug und andere Regierungsformen erstarken. Da stellt sich die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung, und da setze ich bei der Bildung an. Sie ist schon von Felder als höchstes Gut erkannt worden, um als Mensch selbstverantwortlich und unabhängig zu sein. So hat er etwa für seine Ortsmitbewohner eine Bibliothek zusammengestellt.
Felder in den Schulen
Raschner: Findet denn die Literatur Felders heute in die Schulen genügend Eingang?
Häfele: Genügend ist nie genug! Zu meinen Anfangszeiten als Deutschlehrer vor geraumer Zeit stand ich allerdings mit Felder und seiner Literatur ziemlich alleine da. Das hat sich stark geändert. Speziell für die Jugend haben wir gemeinsam mit dem Landesschulrat ein eigenes Projekt entwickelt. Am 26. April, also an Felders 150. Todestag, werden SchülerInnen seine Autobiografie „Aus meinem Leben“ als Ganzes lesen. Diese wird in Bild und Ton aufgenommen und so direkt im Internet erlebbar werden.
Raschner: Ich nehme an, die Schülerinnen und Schüler lesen aus jener von Jürgen Thaler herausgegebenen Neuausgabe, die in Kürze in der Reihe „Österreichs Eigensinn“ bei Jung & Jung erscheint und für die Arno Geiger ein Vorwort geschrieben hat.
Häfele: So ist es. Damals hat Peter Handke das Vorwort verfasst, jetzt ist es Arno Geiger. Seine Literatur hat mittlerweile so viele LeserInnen, das spricht für sich. Wenn die Zweierbeziehung Handke/Felder mit ihm zu einer Dreierbeziehung erweitert wird, ist das nur gut und richtig.
Raschner: Die Neuausgabe ist ja etwas ganz Besonderes …
Häfele: Mit der Neuausgabe wird ein über hundert Jahre alter Fehler korrigiert. Denn wenn wir bislang geglaubt haben, dass wir die einzig authentische Ausgabe von „Aus meinem Leben“ in unserem Regal stehen haben, dann sind wir falsch gelegen. Es gilt mittlerweile als gesichert, dass die damaligen Herausgeber eine Fassung verwendet haben, die eine Abschrift war. Erst Jahre später ist eine Handschrift aufgetaucht, die jetzt publiziert wird und die von Felder selbst stammt. Es lohnt sich also auf jeden Fall, die originale Fassung zur Hand zu nehmen und sie mit der anderen zu vergleichen!
Raschner: Sollte speziell die Jugend mehr Felder lesen?
Häfele: Das Gesamtprogramm nimmt genau dies in den Blickpunkt. Der Franz-Michael-Felder-Verein mit seinen fast 700 Mitgliedern ist schon etwas in die Jahre gekommen, und ich glaube, es ist nun genau der richtige Zeitpunkt, alle Generationen mit ins Boot zu holen.
„Felder als Erinnerungsort“
Raschner: Welchen Stellenwert genießt Felder in seinem Heimatdorf?
Häfele: Wir sind glücklich, dass der Bürgermeister von Schoppernau sehr initiativ ist. Die Vereine sind heuer aktiv in die Feierlichkeiten eingebunden. Eines der drei Podien trägt ja den Titel „Felder als regionaler Erinnerungsort“. In diesem Sinne kann man sagen, dass sich Schoppernau im Klaren darüber ist, dass es mit Felder über einen Schatz verfügt.
Raschner: In drei Felder-Podien sollen heuer wesentliche Themen fokussiert werden. Beim dritten werden vier Frauen, die ihre akademischen Studien mit einer Arbeit zu Felder abgeschlossen haben, ihre Zugänge vorstellen. Welche Aspekte kommen dabei zur Sprache?
Häfele: In einer Arbeit, die wir vorstellen, geht es darum, wie innovativ, lebendig und einfühlsam Felder mit der Sprache umgegangen ist. Eine andere spürt analytisch nach, wo Felder überall rezipiert wurde und welchen Einfluss er hatte. Mit diesem Podium wollen wir auch zu weiteren Forschungsarbeiten anregen. Ich bin mir sicher, dass es noch einige spannende Themen und Aspekte zu entdecken gibt!
Raschner: Das zweite Podium findet in Zusammenarbeit mit dem ORF-Landesstudio im Funkhaus in Dornbirn statt. Eine Diskussion mit Podium „Am Fall Natalie Beer“. Wir erinnern uns: Nachdem die Schriftstellerin in ihren Lebenserinnerungen ihre anhaltende Begeisterung für die Ideologie des Nationalsozialismus zum Ausdruck gebracht hat, hat Michael Köhlmeier mit ihr 1983 ein Radiointerview geführt. Dieses habe, so schreiben Sie, auch eine Zäsur in der Geschichte des Felder-Vereins markiert. In welcher Hinsicht?
Häfele: Zum Fünfzig-Jahr-Jubiläum des Vereins wollen wir auch dessen wechselvolle Geschichte beleuchten. Es war eine Zäsur, weil sich der Verein bis dahin stark der „alten“ Vorarlberger Literaturszene verbunden gefühlt hat, der auch Natalie Beer angehörte. Ihre bedenklichen Äußerungen hinsichtlich des Nationalsozialismus leiteten einen intensiven Nachdenkprozess beim Verein ein. Zentral ging es um die bis heute aktuelle Frage, in welches Verhältnis Erinnern und Vergessen gesetzt werden sollen. Vergessen ist ein physiologischer Vorgang, der uns auch schützt, damit unser Kopf nicht platzt. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung wachzuhalten und sich zu positionieren. Das soll an diesem Abend exemplarisch am „Fall“ Natalie Beer diskutiert werden.
Raschner: Sie bezeichnen Franz Michael Felder als einen Urahnen der Vorarlberger Literatur der Neuzeit …
Häfele: Man muss sich vorstellen: Wie kommt ein Schoppernauer im 19. Jahrhundert zum Schreiben?! Felder hat sich natürlich am ländlichen Leben orientiert, aber er hat eben auch die Werke von Goethe und Schiller gelesen. Er repräsentiert für mich einen Autor, der aus seinem Erleben heraus Literatur wirklich formt. Das zeichnet auch die damals „neue“ Vorarlberger Literatur der 1970er und 80er Jahre aus.
Raschner: Worauf freuen Sie sich im Jubiläumsjahr besonders? Was sind Ihre persönlichen Erwartungen?
Häfele: Ich freue mich sehr auf die „Felder-Rede“, und ich hoffe, dass jene Stimmen, die zurzeit unken, dass es ein wenig zu viel Felder in diesem Jahr gibt, verstummen, weil sie merken, dass ganz verschiedene Facetten von Felder gezeigt und neue Verbreitungsimpulse gesetzt werden!